Nach 15 Stunden: Linke beschließt Wahlprogramm
Große Mehrheit stimmt für Forderungskatalog zu den Bundestagswahlen / Dritter Tag des Delegiertentreffens in Dresden
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Die Parteitagsreden von Katja Kipping (hier), Bernd Riexinger (hier) und Gregor Gysi (hier) gibt es inzwischen im Internet zum Nachlesen.
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Große Mehrheit für "100 Prozent sozial"
Es hat gedauert, aber nach rund 15 Stunden Debatte hat die Linke ein Wahlprogramm: Die rund 550 Delegierten beschlossen in Dresden in der Nacht mit großer Mehrheit die Forderungen der Partei für die Bundestagswahl im Herbst. Im Zentrum steht unter anderem eine klare Umverteilungspolitik: eine Erhöhung der Steuern und Abgaben an verschiedenen Stellen soll jährlich 180 Milliarden Euro zusätzlich in die öffentlichen Haushalte spülen. Dieses Geld soll in höhere Sozialleistungen für Einkommensschwache fließen. Außerdem soll das Rentenniveau von derzeit knapp 50 auf 53 Prozent des durchschnittlichen Jahreseinkommens angehoben werden. Jeder Rentner soll mindestens 1050 Euro erhalten. Die Erhöhung des Renteneinstiegsalters auf 67 Jahre will die Linke rückgängig machen. Der Spitzensteuersatz soll auf 53 Prozent angehoben werden. Für Einkommen über eine Million Euro sollen sogar 75 Prozent fällig werden. Langfristig soll das Hartz-IV-System abgeschafft werden, in einem ersten Schritt fordert die Linke, die Sanktionen gegen Erwerbslose zu beseitigen und den Regelsatz von 382 auf 500 Euro anzuheben. Ein gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro soll nach dem Willen der Partei bis zum Ende der Legislaturperiode 2017 auf zwölf Euro angehoben werden. Ebenso auf dem Wunschzettel der Linkspartei: Die Energieversorgung soll wieder ganz in die öffentliche Hand gelegt werden. Den öffentlichen Nahverkehr will die Linke mittelfristig kostenfrei anbieten. Private Krankenkassen sollen abgeschafft werden und eine Versicherung für alle entstehen. Die Bundeswehr soll sofort und bedingungslos aus allen Auslandseinsätzen abgezogen, Rüstungsexporte sollen gestoppt werden.
Streit über die Europapolitik bleibt aus
Der große Streit über die Europapolitik ist am Samstag beim Parteitag der Linken in Dresden ausgeblieben. Kontrovers diskutiert wurde zum Schluss nur noch ein Antrag, der unter anderem von der Sozialistischen Linken und dem Landesverband Niedersachsen unterstützt wird. Darin heißt es, dass, wenn sich Länder zum Verlassen der Eurozone gezwungen sehen, Kapitalverkehrskontrollen und Finanzmarktkontrollen sowie Unterstützungsprogramme notwendig seien. Der Vorstand lehnt den Antrag ab. Linkenchef Bernd Riexinger betonte, dass ein Austritt aus dem Euro auch reaktionäre Hintergründe haben könne. Die Partei solle solidarisch mit Arbeitenden und der Bevölkerung sein, aber nicht mit Regierungen. Der Antrag wird daraufhin von den Delegierten mit großer Mehrheit abgelehnt. Weil manche Debatten länger als erwartet gedauert haben, wird das Wahlprogramm voraussichtlich erst um 23 Uhr verabschiedet.
Debatte zur Europapolitik hat begonnen
Die mit Spannung erwartete Debatte zur Europapolitik beginnt. Der Europa-Abgeordnete Thomas Händel warnt, dass der Zusammenbruch des Währungssystems politisch und ökonomisch "eine Katastrophe" wäre. Seine Fraktionkollegin Cornelia Ernst ruft ihre Partei dazu auf, die "Europaolitik gegen deren Zerstörer von der Troika" zu verteidigen. Die niedersächischen Bundestagsabgeordneten Heidrun Dittrich und Diether Dehm geben in der Dikussion allerdings auch zu bedenken, dass die südlichen Krisenländer sich bald in Volksabstimmungen zu einem Austritt aus dem Euro entscheiden könnten. "Diese Menschen, die mit uns gemeinsam demonstrieren, sollten dann auch solidarisch behandelt werden", fordert Dehm. Der niedersächische Landesverband hatte zur Europapolitik einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt.
Gregor Gysi warnt von einer Abschaffung des Euro - Lob für Kipping und Riexinger
Der Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi gibt sich in seiner Rede kapitalismuskritisch. "Hinter jedem Krieg stecken ökonomische Interessen, deshalb will ich einen demokratischen Sozialismus", so Gysi. Bei seiner Rede beim Göttinger Parteitag vor einem Jahr hatte Gysi noch von "Hass" in der Bundestagsfraktion gesprochen. Nun hätten unterschiedliche Teile der Partei begriffen, dass man mit Respekt miteinander umgehen müsse, so Gysi. Er lobte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Arbeit der Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger. Die Meinung von Oskar Lafontaine zur Zukunft des Euro nannte Gysi "legitim". "Wir sprechen da ganz sachlich drüber", erklärte Gysi. Allerdings warnte er auch vor sozialen Folgen bei einer Abschaffung der gemeinsamen Währung.
Linke.SDS demonstriert gegen europäische Krisenpolitik
Die Debatte über das Kapitel I des Wahlprogramms "Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit" zieht sich hin. Aus der Parteibasis sind zahlreiche Änderungsanträge gestellt worden. Die Debatte wird kurz unterbrochen, als der Studierendenverband Die Linke.SDS auf die Bühne geht, um dort gegen die europäische Krisenpolitik zu demonstrieren. Auf einem Plakat werben die Studierenden auch für Solidarität mit den Demonstranten in der Türkei.
Kipping: Troika gefährdet den Euro
Parteichefin Katja Kipping forderte in ihrer Rede vor den Delegierten des Parteitages der Linken in Dresden erneut einen Hochwasserfonds von zehn Milliarden Euro und einen besseren Klimaschutz. Ihre Rede war auch ein Rundumschlag gegen alle anderen Parteien. „Schwarz-Gelb will die Agenda 2010 für Europa“, kritisierte Kipping. Ihre Partei sei gegen die sogenannten Rettungspakete, wolle aber nicht zurück zur D-Mark. Die Gefahr für die gemeinsame Währung gehe von der Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF aus, nicht von Debatten in der LINKEN über den Euro. „Wir wollen ein soziales Europa. Das wäre eine Bestandsgarantie für den Euro.“ Den Grünen wirft Kipping vor, sich Schwarz-Grün offenhalten zu wollen. Zudem sei die einstige Friedenspartei für Kriegseinsätze, wie etwa in Libyen. „Dort geht es aber nicht um Menschenrechte, sondern um ökonomische und geostrategische Interessen“, so Kipping. Die SPD solle man an die Friedenspolitik Karl Liebknechts erinnern, wenn im Bundestag wieder einmal die Abstimmung über Kriegseinsätze anstehe.
Nur ein Viertel der SPD-Wähler glaubt an Steinbrück-Sieg
Während sich die Linkspartei in Dresden für den Wahlkampf präpariert, hat der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten mit schrumpfender Hoffnung unter seinen Anhängern zu kämpfen, wie der „Focus“ berichtet: Nur 22 Prozent der SPD-Wähler rechnen damit, dass Peer Steinbrück der künftige Kanzler sein wird, 73 Prozent gehen nicht davon aus. Noch düsterer sieht es insgesamt aus: Nur 14 Prozent der befragten Bundesbürger glauben demnach, dass Steinbrück der nächste Bundeskanzler wird. Der Bekanntheitsgrad des so genannten Kompetenzteams der SPD ist auch eher dürftig - 95 Prozent der SPD-Anhängern gaben in der Emnid-Umfrage an, sie könnten keine drei Teammitglieder nennen.
Grünen-Chefin Roth kritisiert Außenpolitik der Linken
Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, hat die Linkspartei als außenpolitisch „regierungsunfähig“ bezeichnet. „Die Linke weigert sich strikt, zwischen einzelnen Militär-Einsätzen zu differenzieren. Ob nun der Einsatz in Afghanistan, im Kosovo, im Libanon oder in Mali: für die Linke alles gleich“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Außerdem kritisierte die Grünenpolitikerin die „Europakritik“ der Partei, darin werde sie „nur noch von der CSU übertroffen“. Eine Regierungszusammenarbeit im Bund lehnte Roth daher erneut ab. Auch eine rot-grüne Minderheitsregierung, die von der Linken toleriert wird, sei „nicht vorstellbar“. Auf Landesebene sei „das ein gutes Modell“ gewesen, so Roth. „Doch angesichts der globalen Herausforderung eine Bundesregierung ohne eigene Mehrheit zu bilden“, komme für sie nicht in Frage. Kritik äußerte die Grüne auch an der inhaltlichen Aufstellung der Linken. Damit diese für eine Kooperation in Betracht komme, „müsste erst mal klar sein, wofür die Linkspartei eigentlich noch steht. Sie hat zu den wichtigsten Themen, wie zum Beispiel zur Energiewende oder dem Klimaschutz, keine erkennbare Position“.
Liebich: „Mehrheit von Syriza will Griechenland in der Eurozone halten“
Immer wieder geht es in den Redebeiträgen um Griechenland, die Krise im Süden Europas und die hohe Arbeitslosigkeit. „70 Prozent der Mitglieder des griechischen Linksbündnisses Syriza sind dafür, dass das Land Mitglied in der Eurozone bleibt“, sagt Stefan Liebich. Die Menschen in Griechenland würden in den Krankenhäusern nicht mehr behandelt. In einer solchen Situation sollte nicht über Währungen diskutiert werden. Der Berliner Bundestagsabgeordnete wirbt für den entsprechenden Antrag des Bundesvorstands. Auch Bundesvorstandsmitglied Dominic Heilig spricht sich gegen eine Währungsdebatte aus. Diese hatte der saarländische Fraktionschef Oskar Lafontaine angestoßen, der über ein Währungssystem in Europa nachdenkt, in dem es auch nationale Währungen wieder geben kann.
Wahlkampfthema Mieten
Neben der Europapolitik setzt die LINKE im Wahlkampf auch auf eine andere Mietenpolitik. „Wir wollen Städte, in denen auch Erwerbslose, Rentner und Studierende wohnen können“, erklärt Parteivize Caren Lay. Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigte Mietpreisbremse sei unglaubwürdig. Im Jahr 2011 gingen unter der schwarz-gelben Bundesregierung erneut rund 57 000 Sozialwohnungen verloren.
Keine Flügelkämpfe mehr
Im Bundestagswahlkampf soll der Flügelstreit der Partei der Vergangenheit angehören. Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform betont bei ihrer Rede zur Generaldebatte, dass sie mit dem Berliner Landeschef Klaus Lederer nicht immer einer Meinung sei. „Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Diese müssen wir nun im Wahlkampf in den Vordergrund stellen.“ Lederer arbeitet beim Forum Demokratischer Sozialismus mit.
Bartsch warnt vor Belastung kleiner Betriebsvermögen
Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch hat seine Partei laut einem Zeitungsbericht davor gewarnt, kleinere und mittlere Unternehmen sowie Handwerker und Selbständige durch Steuern zu stark zu belasten. Der »Ostsee-Zeitung« sagte Bartsch, Betriebsvermögen dürften, anders als große private Geld- und Immobilienvermögen, nicht höher besteuert werden. Er wolle »nicht die Substanz von kleinen und mittleren Unternehmen in Handwerk, Industrie und Landwirtschaft« angreifen. Bartsch erklärte zugleich, dass dies eine in der Partei offene Frage sei, »über die in Dresden diskutiert wird«.
Wagenknecht will »Griechenland vor den Rettern retten«
Parteivize Sahra Wagenknecht machte sich in ihrer Rede vor den Delegierten gegen »Casino-Kapitalismus«, Bankenmacht und die »Finanzmafia« stark und forderte eine Politik, die sich mit den Mächtigen und den Banken anlegt. Wagenknecht prangerte an, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht für die Griechen zahlt, sondern dafür, dass die oberen Zehntausend in Griechenland absahnen. Wagenknecht forderte zudem einen radikalen Kurswechsel in der Europäischen Union. Wenn alles weitergehe wie bisher, fahre Europa an die Wand, sagte sie. Es sei die Politik der Lohn- und Rentenkürzungen, der Streichung von Sozialleistungen, »die Europa zerstört«, so Wagenknecht. Dagegen würden Vermögende und Millionäre hemmungslos über ihre Verhältnisse leben.
Parteitag erklärt Solidarität mit Takism-Protesten
Die Delegierten des Parteitags der Linken in Dresden haben sich mit den Protesten in der Türkei solidarisch erklärt. Sie verabschiedeten eine Resolution mit dem Titel: »Taksim ist überall. Überall ist Widerstand! Solidarität mit den Menschen in der Türkei«.
Linken-Chef: Merkels Lager sind die oberen zehn Prozent
Linkenchef Bernd Riexinger hat in seiner Dresdner Rede Angela Merkel vorgeworfen, die Besserverdienenden zu schützen. »Ihr Lager sind die oberen zehn Prozent der Bevölkerung. Sie ist die Schutzpatronin des großen Geldes.« Wenn die Kanzlerin behaupte die Bundesrepublik sei »gut durch die Krise gekommen«, dann gelte das für Millionen Menschen nicht, die Niedriglöhne bekämen. Riexinger bekräftigte zugleich die Forderung seiner Partei nach einem gesetzliche Mindestlohn von mindestens zehn Euro. Die Renten müssten erhöht werden, um die Menschen nicht in Altersarmut zu treiben; Hartz IV müsse abgeschafft und durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden. »Ohne uns würden die anderen Parteien das Wort 'sozial' nicht einmal buchstabieren können«, so Riexinger weiter. Die Linkspartei werde »es niemals akzeptieren, dass Menschen zur Arbeit gehen und von dieser Arbeit nicht leben können«. Es werde »eine starke Linke« gebraucht, »damit Selbstverständliches selbstverständlich wird«, sagte der Gewerkschafter.
Riexinger kritisiert SPD
Von scharfer Kritik an der SPD ist die Parteitagsrede des Vorsitzenden der Linken, Bernd Riexinger, geprägt gewesen. Er warf den Sozialdemokraten eine »hirnlose und kindische Abgrenzungspolitik nach links« vor. »Dabei wäre es doch höchste Zeit für einen Lagerwahlkampf«, so Riexinger. Er kritisierte, dass die SPD stolz auf die »Agenda 2010« sei – wer so rede, mache sich als linke Kraft unglaubwürdig. Riexinger fragte: »Wie kann man stolz darauf sein, Millionen von Menschen in die Armut geschickt zu haben? Darauf kann man nicht stolz sein, dafür muss man sich schämen.« Auch den SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück attackierte Riexinger: »Immer wenn du denkst, es geht nicht schlimmer: Der Peer schafft es immer«, sagte der Linken-Politiker.
Linke fordert Hilfen für Flutopfer
Der sächsische Landesvorsitzende Rico Gebhardt hat die Delegierten begrüßt. In seiner Eröffnungsrede nannte er es »richtig und angemessen« an die Menschen zu erinnern, »die in den letzten Wochen bei weitem nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern Mitteleuropas Opfer des Hochwassers wurden«. Außerdme verabschiedete der Parteitag eine Resolution für besseren hochwasserschutz.
Gegenüber der »Mittelbayerischen Zeitung« erneuerte der Linken-Politiker Klaus Ernst derweil die Forderung seiner Partei nach einer Solidaritätsabgabe von Besserverdienern und Vermögenden für die Opfer der Hochwasserkatastrophe. »Für Banken bringen wir innerhalb einer Woche 480 Milliarden auf, für notleidende Menschen mickrige acht Milliarden. Das muss aufgestockt werden, auf mindestens zehn Milliarden, notfalls auch mehr«, sagte Ernst in einem Interview. Er schlug vor, dass »ein Cent von jedem Euro Einkommen über 100.000 Euro und jedem Euro Vermögen über eine Million« in einen Flutfond gingen. »Das wäre gerecht und ergiebig«, so Ernst.
Die Bahn war's: Parteitag startet verspätet
Mit einiger Verspätung hat der dreitägige Bundesparteitag der Linken dann doch noch begonnen – eine Panne bei der Deutschen Bahn hatte die Anreise Dutzender Delegierter und Medienvertreter verzögert. Der Start wurde deshalb um eine Stunde verschoben.
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