Berlin enteignet Vonovia: 4500 Mal Doppelmoral

Für Konzerninteressen enteignet der Senat gern, findet Christian Lelek

Eines der Häuser an der Lichtenberger Coppistraße, das Vonovia veräußert hat, um seinen Schuldenstand zu senken
Eines der Häuser an der Lichtenberger Coppistraße, das Vonovia veräußert hat, um seinen Schuldenstand zu senken

Eigentlich ist es eine frohe Kunde: Berlin vergesellschaftet 4500 Wohnungen der profitorientierten Vonovia. Doch geht es hierbei tatsächlich um »die Krankenschwester und den Polizeibeamten«, wie es Kai Wegner formuliert? Also um die Durchschnittsmieter*innen?

Wohl kaum. Die Mehrheit der Berliner*innen hatte ihren Willen bereits 2021 im Rahmen eines Volksbegehrens zum Ausdruck gebracht: Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen seien zu enteignen. Seitdem schiebt die Hauptstadtpolitik die Umsetzung auf die lange Bank. Wer erinnert sich nicht noch an den Schwall von Argumenten, die dem Volkswillen entgegengebracht wurden? Davon entstehe keine einzige neue Wohnung, zu teuer, rechtlich nicht möglich und so weiter.

Derlei Kriterien spielen aber offenbar keine Rolle, wenn abschmierende Wohnungsunternehmen wie Vonovia selbst darum bitten, ihren Bestand zu erleichtern, um Schulden begleichen zu können. Dann hält der Senat es für wirtschaftlich, zum Marktwert zu enteignen, dann ist Vergesellschaftung ein strategischer Schritt für bezahlbare Mieten. Sogar Verdichtungs-, also Neubaupotenziale werden auf einmal entdeckt.

Auch bei der Fernwärme des schwedischen Energieversorgers Vattenfall, als diese wegen künftiger CO2-Kosten wegmusste, griff der Senat bereitwillig zu. Dass er all seine ins Feld geführten Argumente für den Volksentscheid nicht sieht, er eine Umsetzung des demokratischen Willens nicht einmal in Erwägung zieht, lässt nur einen Schluss zu: Im Zweifel geht es nicht um Demokratie, sondern um Interessen; diese liegen nicht bei den Mieter*innen der Stadt, sondern in der Privatwirtschaft.

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