Zuckersüßer Ex-Präsident
Niemand ist wie »Sweet Mickey«: Michel Martelly, der ehemalige Präsident Haitis, gab am Sonntag seine Schärpe ab. Ein Nachfolger soll am 24. April in einem vierten Anlauf gewählt werden.
Bekanntheit erlangte der Bauarbeiter nicht durch seine politischen Ansichten - noch wenige Jahre vor seinem Amtsantritt versicherte er der Monatszeitung »ila«, dass ihn Politik nur wenig interessiere -, sondern als kostümierter Schlagersänger, der in Nachtclubs gerne mal die Hosen herunter ließ. Als Star des Kompa, populärer haitianischer Tanzmusik, machte sich der heute 54-Jährige insbesondere bei der haitianischen Jugend beliebt, die seine antibürgerliche Haltung schätzte und ihm den süßen Spitznamen verlieh.
Mit zuckersüßen Versprechungen fand Martelly 2011 seinen Weg von der Bütt ins Präsidentenamt: Jobs für alle Haitianer, Häuserbau nach dem großen Erdbeben von 2010, Ausbau von Bildung, Gesundheit und Kultur.
»Die Geschichte wird sich trotz Wind und Gezeiten an den Stein erinnern, den ich zur Errichtung eines schöneren Haitis beigetragen habe«, sagte Martelly in seiner Abschiedsrede. Zu diesem schöneren Haiti gehört die systematische Bereicherung der Präsidentenfamilie ebenso wie freundliche Beziehungen zu Paramilitärs und die Schaffung eines brutalen Schlägertrupps bei der Polizei. Auch für die aktuelle Wahlkrise wird der per Dekret regierende Martelly verantwortlich gemacht.
Bis zum Ende seiner Amtszeit hat es der Glatzkopf, wie Martelly samt seiner von Geldern der US-Entwicklungsagentur USAID unterstützten Partei (»Tèt Kale«) ebenfalls genannt wird, nur sehr knapp geschafft. Ende Januar hatten Demonstranten vehement seinen Rücktritt gefordert und sich Straßenschlachten mit der Polizei und Regierungsunterstützern geliefert. Wer in die Fußstapfen des karnevalesken Ex-Präsidenten tritt, ist weiter unklar. In Führung lag bei den ersten Wahlen im Oktober Martellys Liebling: der politisch unbekannte Bananenhändler Jovenel Moïse.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.