Geheim, gewissenhaft, gerichtsfest
Wo genau sie testet, gibt die Stiftung Warentest nicht bekannt - ein Laborbesuch in Sachsen
Der Lärm ist ohrenbetäubend. An 30 Prüfplätzen bohrt, hämmert und schleift es zugleich. Dabei wirkt der Raum hell, freundlich, einladend. Handgeräte, wie sie jeder Heimwerker kennt, klemmen zwischen Aluschienen und Stahlwinkeln: Das Bild erinnert an den Werkraum einer Schule - wenn der Höllenkrach nicht wäre.
Aus den Griffen der Geräte ragen Kabel. Sie führen zu Messegeräten unter den Tischen, die alles aufzeichnen - praktisch ein ganzes Maschinenleben im Zeitraffer. Denn hier, im Dauerlaufraum, geht es wirklich zur Sache. Ist der Test fertig, sind es die Winkelschleifer und Schlagbohrmaschinen meist auch: Sie werden hier auf ihre Lebensleistung abgeklopft.
»Wir testen hier alles, was sich dreht«, erzählt Andreas M. Er ist einer der Prüfingenieure dieses Speziallabors irgendwo in Sachsen. Da es sich bei dem Ganzen um einen Auftrag für die Stiftung Warentest handelt, verschweigt er nicht nur seinen vollen Namen - auch der Ort des Geschehens soll geheim bleiben. Denn niemand soll vorab irgendwelche Rückschlüsse ziehen können, wo gerade wer welche Produkte examiniert.
»Darauf fußen maßgeblich unser Image und unsere Glaubwürdigkeit«, betont Henry Görlitz. Der Projektleiter der Stiftung Warentest ist einer der 330 Marktforscher und wissenschaftlichen Mitarbeiter der 1964 gegründeten Verbraucherorganisation - und auf Arbeitsvisite in Sachsen. Hier erprobt man gerade neue Handwerkergeräte, wofür Projektleiter Görlitz ein minutiös ausgearbeitetes Prüfprogramm vorgab. Den Input dafür lieferte, wie er erläutert, ein Fachbeirat von Externen - Vertreter aus der Verbraucherschaft und aus der Industrie sowie neutrale Sachverständige.
»Das machen wir so bei jedem Produkt, das wir testen«, erzählt der Diplomingenieur Andreas M. Jährlich fänden rund 200 Tests statt, bei denen um die 1600 Produkte verglichen würden. Ihr Labor übernähme jährlich vier, fünf Aufträge für die Stiftung Warentest, wofür es sich an teils weltweiten Ausschreibungen beteiligen müsse, sagt M. Manche Test liefen nur drei bis vier Wochen, andere ein Vierteljahr. Und die Teststrecken hierfür kreierten sie dann stets selbst - Findigkeit ist ein Prinzip, das sich durch das ganze Institut zieht.
Vor allem bei Gebrauchsnormen von Technik, sagt Andreas M., die subjektiven Kriterien unterliegen und sich daher selten in Maßeinheiten fassen lassen, heiße es dann oft: »Macht euch mal Gedanken...« Und so simulierte man dann bei Rasenmäher-Tests geschnittenes Gras im Fangkorb durch Deoroller-Kugeln: »Beides hat dieselbe Dichte.« Eben dies mache den Job so spannend. Dabei gebe es den Beruf des Prüfingenieurs so eigentlich nicht. Stattdessen arbeiteten bei ihnen verschiedene Teams eng zusammen - Maschinenbauer, Chemiker und Akustiker bis zu Experten für Kalibrierung.
Was dabei ertüftelt wird, wird dann mit einem eigenen Prüfstandsbau umgesetzt - zum Beispiel ein Rollenprüfstand für Pedelecs. Bei diesen Fahrrädern, bei denen ein Elektroantrieb das Treten erleichtert, waren etwa Steuerung, Elektrik, Akkusicherheit, Verkabelung und elektromagnetische Verträglichkeit zu checken. Dazu saß natürlich niemand im Sattel. Vielmehr griff ein separater Motor über einen Hebelarm in die Pedale, während ein Mitarbeiter via Bildschirm das zu testende Lastprofil in die Steuerung eingab. Rollen unter den Reifen sorgten dann für die entsprechenden Widerstände. Und schon stieg das Rad einen imaginären Hügel hinauf, kämpfte gegen Seitenwind oder rollte flockig bergab. Hierfür hätten sie eine »typische Runde mit verschiedenen Schwierigkeiten« erstellt, die für alle getesteten Pedelecs absolut identische Bedingungen biete, so Andreas M. Andernfalls müssten ja »zehn Leute 100 Tage lang strampeln, um etwa zu ermitteln, wie weit man mit einer Akkuladung kommt...«
Mit der Benotung der ermittelten Werte hat das Institut dann nicht mehr viel zu tun. Auswertung und Vergabe der Qualitätsurteile fänden wieder bei der Stiftung Warentest statt, erklärt Projektleiter Görlitz. Bei der Wahl des Prüflabors zählten für ihn neben Kostenaspekten, Verlässlichkeit und Qualität ein weiterer Faktor: Die Tests müssten »auch vor Gericht Bestand haben«. Die Resultate müssen also problemlos wiederholbar sein. Denn natürlich habe man es auch mal mit den Anwälten eines enttäuschten Herstellers zu tun, könne doch ein »Mangelhaft« bei der Endnote leicht enormen wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen. Zeige jedoch ein Produkt im Test »überraschende Ausreißer«, kaufe man gewöhnlich ein zweites oder drittes Exemplar aus einer anderen Charge dazu, um auszuschließen, dass ein Montagsgerät getestet wurde, so Görlitz. Alle Prüfmuster würden dabei anonym im Handel erstanden.
Und wie erfolgt die Auswahl der Geräte für die Tests? Dabei spielten meist Marktbedeutung und Neuheitswert eine Rolle, sagt Görlitz. Manchmal bekomme auch ein »preiswertes Pendant zu einem teureren Markenanbieter« eine Chance. Kein Hersteller komme jedoch durch eigene Bewerbung in einen Test - und keiner könne auch erzwingen, herausgenommen zu werden.
Überdies würden am Ende aus den Noten für die einzelnen Testkategorien niemals nur Mittelwerte gebildet, quasi sehr schlechte Eigenschaften durch gute ausbalanciert, so der Projektleiter. Eine Autobatterie, die zwar »ganz toll die aufgedruckten technischen Angaben zur Kapazität oder Kaltstartstrom erfüllt, aber im Dauertest durchfällt«, sei eben keine Empfehlung wert. Dann gebe es Abwertungen.
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