Gedränge am rechten Rand

Viele Rechtsparteien wollen in den Mainzer Landtag - geschafft hat es schon lange keine mehr

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 5 Min.
In Rheinland-Pfalz treten zur bevorstehenden Landtagswahl gleich mehrere rechte bis rechtsextreme Parteien an. Chancen auf den Einzug hat dabei nur die AfD.

Dem stramm rechts orientierten Wähler in Rheinland-Pfalz bietet sich zur Landtagswahl am 13. März ein denkbar großes Spektrum. So treten die AfD, die AfD-Abspaltung ALFA und die am Strasser-Flügel der NSDAP ausgerichtete Kleinstpartei »Der Dritte Weg« ebenso an wie Republikaner und NPD. Gemeinsamer Nenner dieser Gruppierungen sind eine deutschnationale Identität sowie verschiedene Varianten von Parolen gegen Flüchtlinge und Asylbewerber und eine reaktionäre Sozial-, Innen- und Bildungspolitik. Den Einzug in den Mainzer Landtag trauen Demoskopen indes nur der AfD zu, die laut Infratest dimap-Umfrage derzeit mit neun Prozent rechnen könnte.

Die Etablierung einer Rechtspartei im Mainzer Landtag wäre eine Zäsur. Vergleichbares liegt fast 50 Jahre zurück. So errang hier die NPD 1967 6,9 Prozent, 1971 folgte der Absturz auf 2,7 Prozent, 2011 blieb sie mit 1,1 Prozent im Tief. Anders als in Baden-Württemberg schafften es die Republikaner auch in den 1990er Jahren nie in den Mainzer Landtag: Auf 3,5 Prozent im Jahre 1996 folgte die Bedeutungslosigkeit.

Dabei hätte noch im vergangenen Sommer niemand dem zerstrittenen AfD-Landesverband ein starkes Echo zugetraut. Denn nach der Abwahl des Parteigründers Bernd Lucke beim Essener Bundesparteitag im Juli 2015 verließen auch im Südwesten etliche Funktionäre und kommunale Mandatsträger die AfD. Rückblickend auf den Essener Kongress fühlte sich der Lucke-Flügel um den Ex-Landeschef und Professor Uwe Zimmermann, den Unternehmer Oliver Sieh und den Regierungsbediensteten Uwe Volkmer nach eigenen Angaben an den Münchner Bürgerbräukeller erinnert - jenen berühmt-berüchtigten NSDAP-Versammlungsort. Mit Lucke sei »das bürgerliche Lager verjagt« worden und die neue Parteichefin Frauke Petry stütze sich auf »wild gewordene radikalisierte Kleinbürger und Lumpenproletariat«, so das Lamento der Lucke-Anhänger, die mit der neuen Partei ALFA antreten. Mit im Boot sitzt auch der Personalmanager Aslan Basibüyük, der nach eigenen Angaben in Essen »zum ersten Mal als Migrant auf einer AfD-Veranstaltung Angst hatte«.

Mit dem Abgang von Zimmermann schlug in der Landes-AfD endgültig die Stunde von Uwe Junge, der den Landesverband und die Landesliste anführt. Der Oberstleutnant der Bundeswehr steht kurz vor der Pensionierung. Die CDU hatte er 2009 nach über 30 Jahren aus Protest gegen den nach seiner Ansicht »sozialdemokratischen Kurs« von Kanzlerin Angela Merkel verlassen. Auf der Suche nach einer rechten Alternative stieß er zunächst zur islamfeindlichen Kleinstpartei »Die Freiheit«. Seit 2014 sitzt er für die AfD im Kreistag von Mayen-Koblenz.

Vertreter anderer Parteien haben dem Vernehmen nach Junge mehrfach als »Nazi in Nadelstreifen« bezeichnet. Andere sehen ihn eher in der Tradition der Weimarer Hugenberg-DNVP oder einfach als ehrgeizigen Karrieristen, der endlich »nach oben« will. In der Tat ist der Berufssoldat auf seinem Feldzug Richtung Mainzer Landtag sichtlich bemüht, sich als biederer und die Nöte der Menschen verstehender loyaler »Staatsbürger in Uniform« zu präsentieren. Schüsse auf wehrlose Flüchtlinge an der Grenze kämen für ihn nicht in Frage und seine Parteichefin Frauke Petry habe entsprechende umstrittene Aussagen »so gar nicht gemacht«, stellte der Afghanistan-Veteran und Bundeswehr-Spezialist für »Operative Kommunikation« bei einer Podiumsdiskussion vor Gymnasiasten in Bad Kreuznach fest. Statt Bürgerwehren forderte er einen stärkeren Staat, von mehr Steuergerechtigkeit wollte er nichts wissen: »Reflexartig nach Steuererhöhungen rufen ist nicht der Punkt.«

Dass die AfD ihre Anhänger auf Dauer nicht nur mit rassistischen Phrasen bei der Stange halten kann, weiß auch der Oberstudienrat Michael Frisch, der auf Platz vier der Landesliste antritt. Im Trierer Stadtrat ist er um eine biedere bürgerliche Fassade und ein kommunales Kümmerer-Image bemüht. »Seine rassistischen Einstellungen bewegen sich auf einer unterschwelligen Ebene«, so die Beobachtung von Stadtratsmitglied Paul Hilger (LINKE). Obwohl Frisch sich lange zum Bau von Sozialwohnungen bekannte, stimmte er im Stadtrat letztlich gegen eine entsprechende Vorlage. Seine Begründung: In diesen Wohnungen sollen auch Flüchtlinge untergebracht werden, was einige »Wutbürger« erzürnt habe.

Die offene und direkte Kontaktpflege zum reaktionären und braunen Milieu überlassen »Biedermänner« wie Junge und Frisch offensichtlich anderen AfD-Funktionären wie dem Koblenzer Lehrer Joachim Paul, der auf Platz zwei der Landesliste steht. Nach Aussagen der Antifa Koblenz ist Paul seit seiner Studentenzeit in der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn aktiv, die mit ihrer Nähe zu rassistischen Ideologien aus der NS-Zeit selbst in der Szene der Schlagenden Verbindungen zum ultra-rechten Flügel gezählt wird.

Gegen Auftritte der AfD in Stadt und Land formiert sich auch in Rheinland-Pfalz seit Wochen direkter lautstarker Protest. So übertraf bislang in Mainz die Zahl der Gegendemonstranten mehrfach deutlich die der anwesenden AfD-Mitglieder und Sympathisanten. In Rammelsbach (Kreis Kusel) hingegen war jüngst bei einer Veranstaltung mit AfD-Chefin Frauke Petry in der Gemeindehalle die Zahl der Anwesenden deutlich höher als die der Protestierenden vor dem Eingang.

Motor dieser Veranstaltung war der AfD-Direktkandidat und arbeitslose Koch Patrick Hoffmann, der in früheren Jahren als junges Nachwuchstalent im Kreisvorstand der Linkspartei gegolten hatte. Nach der Beschreibung von Zeitgenossen ist er ein rhetorisches Talent mit großem Bekanntenkreis rund um Rammelsbach und in der Fanszene um den 1. FC Kaiserslautern. Er wurde Kreisvorsitzender, Landesvorstandsmitglied und Delegierter zu Bundesparteitagen und 2014 auf dem LINKE-Ticket in den Kreistag und Gemeinderat gewählt. 2012 ließ er sich bei einem Landesparteitag als »Deutscher Meister 2011« in der Mitgliederwerbung feiern und bekam dafür in der Berliner Parteizentrale sogar einen 1500-Euro-Preis überreicht. Im Schulterschluss mit der Parteiführung im Land kegelte Hoffmann den damaligen Kreisvorsitzenden Robert Drumm aus dem Kreisvorstand. Weil seine platten und sexistischen Sprüche jedoch auf Dauer nicht nur den LISA-Frauen in der Partei sauer aufstießen und viele Neumitglieder im Kreis nicht regelmäßig Beiträge bezahlten, sank Hoffmanns Stern jedoch wieder schnell. Auf Zwist und Abwahl folgte der Austritt. Zusammen mit mehreren Dutzend Ex-LINKE-Mitgliedern gibt Hoffmann nun den Ton im AfD-Kreisverband an. Der neurechte Kampfbegriff »Gutmensch« zur Diffamierung seiner politischen Konkurrenten von links geht ihm leicht über die Lippen. Seine Bewerbung um einen AfD-Listenplatz für die Landtagswahl blieb allerdings erfolglos.

Als hinreichender Beleg für die von bürgerlichen »Extremismusforschern« vertretene These, dass die Übergänge zwischen »ganz links« und »ganz rechts« fließend seien, kann Hoffmanns Werdegang sicher nicht herhalten. Eher steht er als Mahnmal für einen teilweise fehlgeschlagenen Parteiaufbau West, bei dem nicht linke, sozialistische Programmatik und nachhaltige politische Bildung, sondern Personalpolitik im Vordergrund standen.

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