Knickgriges Mäzenatentum
Wolfram Prieß über eine weitere Facette des Staatsopern-Skandals
Von der einstigen Ankündigung des inzwischen verstorbenen Großunternehmers und Vorsitzenden des Vereins »Freunde und Förderer der Staatsoper«, Peter Dussmann, seinen Verein mit 30 Millionen Euro an der Sanierung der Staatsoper zu beteiligen, ist heute nicht mehr viel übrig. Die halbherzigen Bemühungen der Landespolitik vermochten es in den gut zehn Jahren seit der Ankündigung lediglich, dem Verein die Finanzierung des Bedarfsprogramms über 500 000 Euro (2007) und des Apollosaals über drei Millionen Euro (2011) verbindlich zu entlocken. Erst im August 2014 unterzeichnete der Verein eine dritte Vereinbarung.
Bei dieser ging es um 600 000 Euro, zweckgebunden für eine Untertitelungsanlage. Und Zweckbindung ist hier das Zauberwort, denn: Wie wir auf Anfrage herausfanden, wird diese Untertitelungsanlage nicht mehr umgesetzt, da die Kosten von anfangs 1,2 Millionen auf inzwischen 2,15 Millionen Euro gestiegen sind. Die Spende ist somit hinfällig und der Landeshaushalt wird ein weiteres Mal geschädigt.
Erst durch die Staatsopernfreunde kam die Untertitelungsanlage im Oktober 2010 überhaupt auf den Plan - Teil der Bauplanungen war sie nicht. Ein konkretes Finanzierungsangebot machte der Verein damals auch nicht. Die ausführende Bauverwaltung hatte für die Untertitelungsanlage somit keine Finanzierungsgrundlage. Nach Landeshaushaltsordnung wäre es nicht zulässig gewesen, die Umsetzung zu beauftragen.
Die ohnehin mit dem Projekt völlig überforderte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher drängte zwar auf eine Entscheidung der Kulturverwaltung unter Klaus Wowereit (SPD). Dieser schwieg sich jedoch aus, genau wie sein Staatssekretär André Schmitz (SPD). Das wurde offenbar von der Senatsbaudirektorin als grünes Licht interpretiert - wie schon so oft im Rahmen der Sanierung.
So wurden im Juli und Dezember 2011 Planungsleistungen für die Untertitelungsanlage vergeben, die sich bis heute auf insgesamt 250 000 Euro belaufen. Erst im Mai 2013 machte der Senat Mitteilung über die Umsetzung der Anlage - ohne sie jedoch als verspätete Bedarfsnachmeldung zu kennzeichnen oder ihre Notwendigkeit zu begründen. Im August 2014 konnte der Senat den Freunden der Staatsoper schließlich die Vereinbarung über 600 000 Euro abringen - allerdings fehlte nun eine Million zur vollständigen Finanzierung, nachdem die Kosten für die Untertitelungsanlage mittlerweile auf 1,6 Millionen Euro angewachsen waren. Zu einem verstärkten Engagement waren die Freunde jedoch offenbar nicht bereit. Erst nachdem die Kosten für die Anlage im März 2015 auf 2,15 Millionen Euro gestiegen waren, traf die Kulturverwaltung im Mai die Entscheidung, die Anlage nicht mehr umzusetzen. Dem Freundeskreis habe man dies ebenfalls im Mai mitgeteilt.
Das Abgeordnetenhaus wurde von dieser Entscheidung des Senats in den neun Monaten seither nicht in Kenntnis gesetzt. Stattdessen verweist der Senat jetzt auf »intensive Bemühungen«, den Freundeskreis für die Finanzierung einer Übertitelungsanlage zu gewinnen. Ein eigenständiges Bemühen des Freundeskreises, im Rahmen der Sanierung ein anderes Projekt zu finanzieren, wurde vom Senat verneint. Im Rahmen von 165 Millionen Euro Kostenerhöhungen für das gesamte Projekt der Opernsanierung mag das alles kaum ins Gewicht fallen - es zeigt aber symptomatisch die kollektive Verantwortungslosigkeit der politisch Handelnden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.