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Cameron beißt in Paris auf Granit

Brexit oder Einschränkung des Grundrechts auf EU-Freizügigkeit? Kein Durchbruch bei umstrittenen Forderungen aus Großbritannien / Tusk warnt vor Auseinanderbrechen Europas

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der britische Premierminister David Cameron hat in Paris keinen Durchbruch bei seinen umstrittenen Forderungen erzielt, die er als Bedingung für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union stellt. Nach einem Treffen mit François Hollande hieß es aus dem Umfeld von Frankreichs Staatschef, Paris wünsche sich zwar eine Einigung, um einen »Brexit« zu verhindern. Es bleibe aber noch »Arbeit, vor allem zur wirtschaftlichen Steuerung«.

Ein Sprecher Camerons erklärte in London, die beiden Politiker seien gemeinsam der Überzeugung, »dass der vom Europäischen Rat präsentierte Entwurf eine solide Basis für eine Einigung beim Gipfel dieser Woche« sei. Hollande hatte kürzlich gesagt, beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag dürfe es keine »neuen Anpassungen« und keine »neuen Verhandlungen« geben. Insbesondere sei kein Veto gegen Entscheidungen von Ländern der Eurozone durch Nicht-Euromitglieder wie Großbritannien möglich.

Der von EU-Ratschef Donald Tusk vorgelegte Kompromissvorschlag sieht vor, dass London für EU-Bürger, die in Großbritannien arbeiten und Steuern zahlen, Sozialleistungen einschränken kann. Es soll außerdem ein »Mechanismus« geschaffen werden, der die Rechte von Nicht-Euro-Staaten schützt, aber gleichzeitig verhindert, dass »wichtige Entscheidungen« der Eurozone verzögert oder verhindert werden.

Tusk warnte am Montag vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union, sollte es zum Austritt Großbritanniens kommen. Das Risiko sei »real«, sagte Tusk bei einem Besuch in Rumänien. »Dies ist ein entscheidender Augenblick.« Es sei »höchste Zeit«, die Argumente der Anderen »mehr anzuhören als unsere eigenen«, fügte er hinzu. »Was einmal zerbrochen ist, kann nicht mehr repariert werden«, sagte Tusk. Die Zukunft der EU stehe auf dem Spiel, aber es werde »keinen Kompromiss zu den Freiheiten und den fundamentalen Werten« geben. Vor dem EU-Gipfel bereist der EU-Ratspräsident derzeit mehrere europäische Hauptstädte, um einen »Brexit« zu verhindern. Am Dienstag ist er unter anderem auch in Berlin zu einem informellen Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Cameron will vermutlich noch in diesem Jahr in einem Volksentscheid über den Verbleib seines Landes in der EU abstimmen lassen. Das Datum könnte er bereits am Freitag nach dem EU-Gipfel ankündigen, falls es dort eine Einigung gebe, berichtete die britische Zeitung »Daily Telegraph«. In Umfragen liegen EU-Anhänger und »Brexit«-Befürworter in Großbritannien derzeit Kopf an Kopf. Agenturen/nd

Camerons Pläne:

GEPLANTE KÜRZUNGEN

Wer in Großbritannien arbeitet, aber wenig verdient, erhält Zuschläge zum Gehalt. Anspruch haben Alleinstehende bei mindestens 16 Wochenstunden, kinderlose Paare bei zusammen mindestens 30 sowie Paare mit Kindern bei mindestens 24 Stunden. EU-Ausländern will Cameron die Leistung künftig in den ersten vier Jahren in Großbritannien verweigern. Auch das Kindergeld soll gestrichen werden - vor allem wenn die Kinder in der Heimat bleiben. Zudem soll der Zugang zu Sozialwohnungen vier Jahre lang versperrt sein.

CAMERONS BEGRÜNDUNG

»Wir wollen Schluss machen mit der Praxis, etwas für nichts zu bekommen«, sagt Cameron. Demnach sollen Einwanderer erst Steuern und Abgaben zahlen, bevor ihnen staatliche Leistungen zustehen. Der Premierminister will nach eigenen Angaben seine Landsleute mit den Maßnahmen davon überzeugen, bei dem von ihm selbst angesetzten Referendum über einen EU-Austritt mit Nein zu stimmen. Mehrere EU-Mitgliedstaaten lehnen die Pläne bislang ab, weil sie darin eine Einschränkung des Grundrechts auf Freizügigkeit sehen.

KRITISCHE EXPERTEN

Von den EU-Bürgern, die von März 2009 bis März 2013 nach Großbritannien einwanderten, bezogen laut einem Regierungsbericht vom November zwischen 37 und 45 Prozent Sozialleistungen. Namhafte Experten argumentieren jedoch, die Menschen kämen nicht deswegen, sondern zum Arbeiten. Einer Studie des University College London zufolge zahlten die seit dem Jahr 2000 Eingewanderten im folgenden Jahrzehnt umgerechnet rund 26 Milliarden Euro an den Staat. Im Durchschnitt arbeiteten sie demnach zudem mehr als die Briten.

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