Nicht nur Kapazität und Kosten
Der Karlsruher Chemiker Jens Tübke über die Rolle der Batterietechnik bei der Energiewende
Batterien gelten als Schlüssel zur Energiewende. Im Moment kann man aber den Eindruck gewinnen, sie verstärken die Ressourcenverschwendung: Smartphones, die ständig laufen und nach wenigen Jahren ersetzt werden, große Hybridautos oder - demnächst mitten in Berlin - Elektroautos als Rennwagen. Wo findet der tatsächliche Wandel statt?
Die Anwendungsbereiche muss man schon gesondert betrachten. Die Akkus im Handy oder Notebook sind auf ihre Lebensdauer abgestimmt. Ein Akku, der zwei Jahre im Handy halten soll, der wird auch nicht wesentlich länger halten. Da schaut man drauf, dass man kostengünstig und auf den Anwendungszweck angepasst nicht mehr Ressourcen in der Produktion einsetzt als nötig sind.
Batterien für Autos oder stationäre Anwendungen, auch für langlebigere Elektrowerkzeuge sind da etwas aufwändiger und damit auch etwas teurer. Bei denen wird man - wie übrigens bei allen Batterien - über einen vernünftigen Stoffkreislauf nachdenken, so wie man es heute bei z.B. Blei-Säure-Batterien schon umgesetzt hat. Die Rückführungsquote für Blei liegt bei über 90 Prozent und von den eingesammelten Batterien werden etwas über 80 Prozent des Materials wieder verwendet. Ähnliches wird man für Lithium-Ionen-Batterien auch etablieren müssen.
Jens Tübke ist Professor am Karlsruher Institut für Technologie und Hauptabteilungsleiter Angewandte Elektrochemie am Fraunhofer Institut für Chemische Technologie. Der Chemiker ist zugleich Sprecher der »Fraunhofer-Allianz Batterien«. Steffen Schmidt sprach mit ihm über den Beitrag der Batterietechnik zur Energiewende und zur Elektrifizierung des Individualverkehrs.
Trotzdem muss man feststellen, dass so, wie man Lithium-Batterien heute produziert, für die Anwendung im Auto noch keine vernünftige Ökobilanz herauskommt. So viele Kilometer können Sie damit gar nicht fahren. Allerdings stecken wir, was große Batterien angeht, noch in den Kinderschuhen. In den nächsten zehn Jahren wird sich da noch sehr viel bewegen müssen. Nicht nur bei der Kapazität der Akkus und bei den Kosten, auch bei der effizienten Nutzung von Energie und Material in allen Produktionsschritten, bei der Recyclingfähigkeit und Zerlegbarkeit.
Bei bezahlbaren Lithium-Akkus ist die Reichweite noch recht begrenzt. Wo erwarten Sie die Fortschritte?
Wenn man sich aktuelle Konzepte für Mittelklassefahrzeuge anschaut, dann sind Reichweiten um 400 Kilometer mit heutigen Batterien realistisch. Und auch die Energiedichte in den Batteriezellen wird steigen. In Zukunft wird es aber auf einer ganz anderen Ebene Fortschritte geben: leichtere Fahrzeuge, leichtere Batteriesysteme. Meine persönliche Prognose ist, dass man mit weiterentwickelter Lithium-Ionen-Technologie bei einem vernünftig konzipierten Elektrofahrzeug durchaus auf 500, 600 Kilometer Reichweite kommen kann.
Auch zu einem Preis, der heutige Autokäufer vom Verbrennungsmotor weg bringt?
Gegen die aktuell wahnsinnig günstigen Kraftstoffpreise wohl kaum. Doch die bleiben nicht so. Dann wird es immer weniger attraktiv, lange Strecken mit einem Verbrennerfahrzeug zu fahren. Die Leute werden in Zukunft für die Langstrecke eher wieder auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Die Autos, die sie dann im urbanen Bereich noch brauchen, kommen mit 200 bis 300 Kilometer Reichweite aus. Langfristig wird sich also entsprechend dem Preisdruck auch das Mobilitätsverhalten ändern.
Bei den Kosten der Akkus tut sich auch einiges. Wir rechnen heute mit Preisen von 300, 400 Dollar pro Kilowattstunde Speicherkapazität. 120, 150 Dollar pro Kilowattstunde sind ein durchaus realistisches Ziel für so ein Batteriesystem.
Die Elektroden der Lithium-Akkus enthalten komplexe Materialmischungen, darunter auch Schwermetalle. Eine aktuelle Studie belegt deren schädliche Wirkung auf Mikroorganismen im Boden. Wird an anderen Materialien gearbeitet?
Natürlich werden wir nicht für alle Zeiten Lithium-Batterien mit Kobalt und Nickel bauen. Inzwischen gibt es auch Systeme mit Lithium-Eisen-Phosphaten als Kathoden, bei stationären Akkus auch mit Titanat-Anoden. Außerdem lassen sich gerade die Schwermetalle gut im Recyclingprozess zurückgewinnen. Das wird man schon aus Kostengründen tun müssen. Es sind auch noch andere Materialien in der Forschungspipeline: Lithium-Sauerstoff, Lithium-Schwefel und magnesium- bzw. natriumbasierte Systeme.
Wann kommt da was Neues?
Da könnte dann in 10 bis 20 Jahren etwas auf den Markt kommen. Die Frage ist immer, ob das Neue wettbewerbsfähig ist im Vergleich zu Lithium-Ionen-Systemen, die auch noch weiterentwickelt werden. Aber es wird vielleicht spezielle Anwendungsfelder geben - im stationären Bereich oder bei Schiffen, wo solche Technologien aus Kostengründen günstiger sind.
Die Energiewende betrifft nicht in erster Linie den Verkehr. Der größte Brocken dürfte die Stabilisierung der Stromnetze bei fluktuierenden Quellen wie Wind- und Solarenergie sein. Welche Systeme werden in diesem Bereich eingesetzt, und um welche Größenordnung geht es da?
Im stationären Bereich spielen vier Systeme eine Rolle. Zum einen die altbekannten Blei-Säure-Batterien, die man nicht unterschätzen darf. Die sind momentan bei der Anschaffung am kostengünstigsten. Bei der Lebensdauer und der Belastbarkeit haben sie allerdings Nachteile. Auch Lithium-Ionen-Speicher spielen bei Hausstromanlagen eine Rolle, weil die Nutzung relativ unkompliziert und der Platzbedarf nicht groß ist. Dann wären da die Hochtemperaturspeicher, hauptsächlich Natrium-Schwefel-Batterien. Die sind seit gut 15 Jahren auf dem Markt, wenn auch überwiegend in Japan. Einige solche Speicher stehen auch in Europa. Größere Anlagen in Japan speichern bei einer Leistung von mehr als vier Kilowatt bis zu 25 Megawattstunden. Eine weitere Möglichkeit für größere Speicher im Megawattstunden-Bereich sind die Redox-Flow-Akkus.
Nun gibt es zwar Forschungsprogramme zu Batterien. Aber was hat der viel beschworene Wirtschaftsstandort davon, nachdem im Herbst 2015 die letzte Produktion von Batteriezellen geschlossen wurde?
Es ist einerseits sehr bedauerlich, da Batterien eine Kerntechnologie sind, wo man sich nicht unbedingt von ausländischen Lieferanten abhängig machen möchte. Andererseits wird die eigentliche Batteriezelle zunehmend zum Low-Cost-Produkt. Die deutschen Weiterverarbeiter sehen die Wertschöpfung deshalb eher im Aufbau der Batteriesysteme für das Fahrzeug und beim Fahrzeug selber.
Bei vielen anderen Fahrzeugkomponenten ist es ähnlich. Die Forschung ist für die Industrie aber dennoch wichtig. Einerseits um dem Lieferanten genau vorgeben zu können, wie die Komponenten aussehen sollen. Und auf der anderen Seite, um zu verstehen, wie sie funktionieren, um daraus dann entsprechende Systeme aufbauen zu können.
Ob man vielleicht versucht, mit einer weiter entwickelten oder auch einer der zukünftigen Technologien doch noch eine eigene Fertigung aufzubauen, ist schwer zu sagen. Wenn sich die Absatzmärkte hier in Deutschland entwickeln, größere Stückzahlen an Elektrofahrzeugen gebaut werden, dann werden Samsung, LG und Co. auch hier ihre Fabriken aufbauen und vor Ort produzieren.
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