Brandgefährliches Sachsen
In Bautzen geht eine Unterkunft für Flüchtlinge unter Beifall des Mobs in Flammen auf
Im sächsischen Bautzen brennt in der Nacht zu Sonntag ein leerstehendes Hotel, in das Flüchtlinge einziehen sollten - 20 bis 30 teils betrunkene Gaffer behindern die Löscharbeiten, machen »abfällige Bemerkungen« und zeigen »unverhohlene Freude« über das Feuer, teilt ein Polizeisprecher mit. Am Ende ist das Dach des Hauses komplett zerstört, die Polizei nimmt zwei 20 Jahre alte Männer fest, die sich einem Platzverweis widersetzen. Am Sonntag entdecken Ermittler Spuren von Brandbeschleuniger in dem Gebäude.
Die Tage zuvor gehen verstörende Videos aus Clausnitz im Erzgebirge um die Welt: Ein Mob blockiert einen Bus mit Geflüchteten, skandiert »Wir sind das Volk«, die Polizei zerrt junge Flüchtlinge gewaltsam und unter Johlen des Mobs aus dem Bus - in eine Unterkunft, die von einem AfD-Mitglied namens Thomas Hetze geleitet wird, der im November 2015 laut »Süddeutscher Zeitung« selbst schon auf einer Kundgebung unter dem Motto »Asylchaos stoppen« von »Wirtschaftsflüchtlingen, die nach Deutschland einmarschieren« fabuliert.
»Das sind keine Menschen, die so was tun. Das sind Verbrecher«, sagt Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich mit Blick auf Bautzen und Clausnitz, Sachsens CDU-Innenminister findet es gegenüber der dpa »unerträglich, wie offen und respektlos der Hass auf Ausländer zur Schau getragen wird«. »Was sind das für entmenschlichte Menschen, die in Clausnitz oder Bautzen Menschen in Not bedrohen und nur nach unten treten können?«, fragt LINKE-Vorsitzende Katja Kipping via Twitter.
Die sächsische Linksfraktion fordert eine Sondersitzung des Innenausschusses im Sächsischen Landtag. Denn neben dem Entsetzen über die Parolen und Taten des Mobs in Bautzen und in Clausnitz werden Fragen nach dem Vorgehen oder auch Nichtvorgehen der sächsischen Polizei immer lauter. »Langsam beginne ich an eine selbstverordnete, rechtsäugige Blindheit von Teilen der sächsischen Polizei und vor allem ihres Dienstherrn zu glauben«, erklärt LINKE-Fraktionsvorsitzender Rico Gebhardt.
Ein schwerwiegender Vorwurf - der aber angesichts der Äußerungen des Chemnitzer Polizeipräsidenten Uwe Reißmann nach den Vorfällen von Clausnitz nicht unplausibel scheint: Reißmann konnte kein Fehlverhalten der Polizei erkennen, die Flüchtlinge mit »einfachen Zwang« aus dem Bus zerrte - und ankündigte, eventuell gegen Flüchtlinge zu ermitteln. »Warum hat man diese Maßnahme nicht an den bedrohenden ›Demonstranten‹ durchgeführt, sondern an Frauen und Kindern, also an den Opfern statt an den Tätern?«, fragt Gebhardt. Und warum werde nicht konsequent gegen die rechten Pöbler von Amts wegen ermittelt - wegen Landfriedensbruchs, der Beleidigung, der Nötigung oder Volksverhetzung? Seiten 5, 9 und 13
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