Opfer der Angst vor Kommunisten

David Kross über seine Rolle als junger Staatsanwalt in dem Film »Die Akte General« über den Nazi-Jäger Fritz Bauer

  • Lesedauer: 4 Min.

David Kross, Sie sind Mitte 20, stammen aus Bargteheide bei Hamburg …
... Was man dort höchstens als Autobahnkreuz kennt.

... und sind doch einer der international profiliertesten deutschen Schauspieler, der für Regisseure wie Detlef Buck in »Knallhart« oder Stephen Daldry in »Der Vorleser« gearbeitet hat. Wie geht man als Provinzkind Ihres Alters mit diesem Erfolg um?
Instinktiv und spontan. Mein ganzer Werdegang ist mir ja eher passiert, als geplant gewesen zu sein - auch wenn man natürlich nie nur passives Objekt seiner Umstände ist. Nach ein paar kleinen Kindersachen, die erste große Rolle gleich mit Detlef Buck zu spielen …

David Kross

Mit 18 Jahren spielte David Kross in der Verfilmung von Bernhard Schlinks Roman »Der Vorleser« einen Jugendlichen im Nachkriegsdeutschland, der von einer ehemaligen KZ-Wärterin verführt und missbraucht wird. Im ARD-Film »Die Akte General« mit Ulrich Noethen als Nazi-Jäger Fritz Bauer kehrt er nun in die frühe Bundesrepublik mit ihren NS-Seilschaften zurück. Er verkörpert die (fiktive) Rolle des jungen Staatsanwalts Joachim Hell, der Bauer bei seinen Ermittlungen unterstützt. Mit dem 25-Jährigen sprach Jan Freitag.

... 2006 in »Knallhart«, als bürgerliches Kind im rauen Neukölln.
Das war natürlich auch Glück, dessen bin ich mir stets bewusst. Zumal ich damals noch gar kein richtiger Schauspieler war. Einmal die Woche zur Theaterprobe war ja eher wie Fußballtraining; da fühlt man sich in dem Alter doch auch noch nicht wie ein Profi.

Wird man nicht wählerisch, wenn gleich am Anfang Hollywood im Portfolio steht?
Vielleicht insofern, als ich noch kein einziges Projekt hatte, für das mir die Motivation gefehlt hätte. Ohne die geht es bei mir nicht; schließlich ist Drehen echte Arbeit.

Zumal Sie oft mehrsprachig drehen, neben Deutsch auch Englisch und Französisch.
Aber nicht, weil ich so ein Sprachtalent hätte, sondern ganz gut Texte lernen und die Aussprache nachahmen kann. Deshalb sind auf dem Filmfest in Cannes viele Franzosen auf mich zugekommen und haben einfach drauflos geplappert, weil sie dachten, ich könne so gut Französisch wie in »Angélique«. Das geht Ulrich Noethen jetzt wohl in Dänemark ähnlich.

Weil er als Titelfigur Fritz Bauer in »Die Akte General« ein dänisches Interview gibt.
Aber kein Wort Dänisch kann. Zu merken ist das nicht.

Kannten Sie diesen Staatsanwalt im Kampf mit alten Nazi-Seilschaften vorher?
Ja, auch »Der Vorleser« handelte im weitesten Sinne von den Auschwitz-Prozessen, wofür ich ein dickes Buch über Fritz Bauer in den Händen hatte. Dennoch bin ich ihm erst jetzt wirklich nahegekommen; das war ja nicht wirklich meine Zeit.

Welche Relevanz hat dieser historische Blick auf den Kampf von Fritz Bauer angesichts der aktuellen Ereignisse wie z.B. den Angriffen auf Flüchtlinge und den NSU-Terror?
Eine große. Der Kampf gegen die Geister der Vergangenheit ist nostalgisch und zugleich hochgradig aktuell. Mein Opa fand Adenauer toll und hatte Angst vor Kommunisten. Für den ist es wichtig, einen Film zu sehen, der zeigt, wo die Gefahr damals wirklich lag. Und für Spätgeborene wie mich ist es faszinierend, wie dieser Fritz Bauer gegen alle Widerstände durchzieht, wovon er aus tiefster Seele überzeugt ist, selbst wenn es ihn einsam macht. Das hat viele an Whistleblower wie Edward Snowden erinnert und mich schon deshalb so bewegt, weil ich daraufhin in mir selber gesucht, aber nichts gefunden habe, wofür ich mit dieser Konsequenz so komplett einstehen könnte.

Machen Sie Filme, um damit bei sich und anderen etwas zu bewirken?
Zunächst mal gucke ich, ob er mich emotional berührt. Und wenn ich mich daraufhin selbst hinterfrage, kann das durchaus aufs Publikum abstrahlen. Unabhängig davon, dass »Die Akte General« ein spannender Politthriller ist, zeigt er eben eine Figur, die keinesfalls in Vergessenheit geraten sollte. Was man aber nur in Kontrast zu meiner Figur wirklich versteht, dem vermeintlich mutigen Staatsanwalt an Fritz Bauers Seite, der das Opfer seiner eigenen Ängste vor Kommunisten, Krieg, Unordnung wird.

Kann man so eine Hauptrolle mit einer Nebenrolle in Steven Spielbergs Film »Die Gefährten« vergleichen, in dem Sie einen deutschen Soldaten spielen?
Schwer. Schauspielerisch ist »Der General« natürlich anspruchsvoller, aber wenn so einer anruft, sagt man als Deutscher dennoch: Spielberg? Cool!

»Die Akte General«, ARD, 24.2., 20.15 Uhr.

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