CDU-Frauen im Abseits
Abgeordnete in Schleswig-Holstein ausgebootet / Mitgliederposse im Landesverband
Der CDU im Norden ist es sichtbar peinlich: Die Geschlechterfrage bleibt eine fortschreitende Baustelle in der Partei. Ambitionierte Frauen in den eigenen Reihen werden noch immer eher ausgebremst als gefördert - und das bisweilen auch mit unlauteren Mitteln. Jüngstes »Opfer« ist kein CDU-Leichtgewicht, sondern die stellvertretende Landesvorsitzende Heike Franzen, erfahrene bildungspolitische Sprecherin der schleswig-holsteinischen Landtagsfraktion.
Im Land laufen sich die Parteien für die Landtagswahl im Mai 2017 warm. Sie stellen in den 35 Wahlkreisen ihre Direktkandidaten auf. Da die Union sich erfahrungsgemäß im meist ländlichen Schleswig-Holstein übermäßig viele Direktmandate sichert, sind diese Plätze begehrter als ein vorderer Listenplatz. Beim Urnengang 2012 wurden alle prozentual erzielten Sitze für das Landesparlament durch Direktkandidaten geholt. Dabei ging sogar der Spitzenkandidat und damalige Landesvorsitzende Jost de Jager leer aus, weil die Liste nicht zum Zuge kam und er in keinem Wahlkreis direkt nominiert war. Enttäuscht verabschiedete er sich daraufhin aus der Parteispitze.
Nach der Wahl 2012 hatte die Nord-CDU sich vorgenommen, »weiblicher« und urbaner zu werden. Doch bisher ist es allein bei dem Vorsatz geblieben. Den Frauen in den eigenen Reihen wurde gerade wieder anhand einer Kampfkandidatur im Wahlkreis Dithmarschen-Schleswig demonstriert, dass Quote, Erfahrung und Verdienste nichts zählen, wenn es um Machtpfründe geht. Von drei Nominierungskandidaturen blieb die 52-jährige Franzen bei der Mitgliederversammlung bereits im ersten Wahldurchgang gegen ihre zwei männlichen Gegenspieler auf der Strecke. Das Rennen machte schließlich der 33-jährige Thomas Klömmer. Der ehrenamtliche Bürgermeister von Erfde (Kreis Schleswig-Flensburg) und bisherige Kreistagsabgeordnete hatte in seinem Freundes- und Bekanntenkreis bis Mitte Januar - gezielt auf den eigenen Vorteil bedacht - 80 neue Mitglieder geworben, die bei der Wahlversammlung dann offenkundig auch den Ausschlag gaben. Per Internetdienst WhatsApp hatte er um Unterstützung gebeten und süffisant geschrieben: »Allerdings müsstet ihr zumindest vorübergehend in die CDU eintreten!« Der Mindestbeitrag beträgt gerade einmal monatlich 9,50 Euro, zum Monatsende kann bereits wieder gekündigt werden.
Doch auch im Lager der unterlegenen Franzen wurde versucht, mit unlauteren Mitteln Mitglieder zu gewinnen. So soll der Fraktionschef im Schleswiger Kreistag, Tim Kux, seine Position als Sponsor eines Fußballvereins dazu genutzt haben, Spieler zu einem kurzfristigen Parteieintritt zu bewegen und die Landtagsabgeordnete zu unterstützen. Fünf Fußballer sollen bei der Posse mitgemacht haben. Offenbar stand ein Satz neuer Trikots auf dem Spiel.
Franzen hatte nach dem Abstimmungs-K.o. auf eine Kampfnominierung in einem anderen Wahlkreis und auch auf einen vorderen Listenplatz verzichtet. Die Spitze der Landespartei zeigte sich von den Vorgängen erschüttert, die Fraktion ebenfalls. Nun sollen die Statuten geändert werden, dass ein Stimmrecht frühestens nach drei Monaten Mitgliedschaft greifen kann.
Franzen ist derzeit eine von fünf Frauen in der 22-köpfigen CDU-Fraktion. Die Partei selbst hat in Schleswig-Holstein 25 Prozent Frauen unter ihren rund 20 000 Mitgliedern. Für Gremien und Listen gibt es ein 30-Prozent-Quorum. Unter den aktuellen Wahlkreisaufstellungen tauchen derzeit nur neun Frauen auf.
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