Palme-Mord erhitzt weiter Gemüter
Vor 30 Jahren starb Schwedens Ministerpräsident / Verbrechen ist weiter ungeklärt
Am Sonntag jährt sich der Mord am damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme zum 30. Mal. Am Donnerstag präsentierte die Palme-Gruppe der Polizei in Stockholm den Stand der Ermittlungen. Demnach gibt es weiterhin keinerlei Durchbrüche oder auch nur die Hoffnung auf eine Lösung. Es gibt heute vor allem zwei Theorien.
Am 28. Februar 1986 fuhr Leif Ljungqvist mit seinem schwarzen Chevrolet Suburban über den Sveavägen in Stockholms Zentrum, um seine Kinder am Bahnhof abzuholen. »Ich wartete an der Kreuzung auf Grün. Da krachte es. Ich schaute in die Seitenstraße, wo ein Mann sich am Boden krümmte. Ich rief sofort die Polizei über mein Autotelefon«, erinnert sich der heute 72-jährige.
Er wendete sein damals für Schweden sehr auffälliges US-Auto und stieg aus. »Ich sah den Täter wegrennen. Er hatte einen ganz verzogenen Gang und trug eine blaue Steppjacke«, sagt Ljungqvist. »Ich lief zu einer Frau, die verletzt neben ihrem völlig zerschossenen Mann kniete. Der lag in seinem Blut auf dem Boden. Ein furchtbarer Anblick. Sie sah zu mir und bat mich, einen Krankenwagen zu rufen. Kurz darauf kam ein Polizist. Er fragte, wer ihr Ehemann heißt. Die Frau antwortete schlicht: Olof Palme. Da verstanden wir erst, was geschehen war. Den Abend werde ich niemals vergessen können«, erzählt Ljungqvist, der einer der wichtigsten Zeugen werden sollte.
Palmes damaliger Staatssekretär, der spätere Spitzenmanager Ulf Dahlsten, hat diese Woche erklärt, dass Christer Pettersson einige Jahre vor dem Mord in Regierungslokalen einen Mitarbeiter nach Palmes Besuchsgewohnheiten ausfragte. Laut Dahlstens Ausführungen ist der Mord eindeutig gelöst. Pettersson sei schließlich von der Witwe Lisbeth Palme und auch Ljungqvist identifiziert wurden.
Pettersson wurde denn auch 1989 verurteilt, doch in zweiter Instanz freigesprochen. Die Polizei hatte bei der Gegenüberstellung Fehler begangen. Aber laut Dahlsten herrscht kein Zweifel. Zudem habe eine sehr glaubwürdige Person ihm erzählt, dass Pettersson Palme im Auftrag des kriminellen Palme-Hassers Lars Tingström ermordete. Der erhielt 1984 eine lebenslange Haftstrafe, weil er unter anderem ein Bombenattentat auf einen Staatsanwalt und das Steueramt verübt hatte. Er beteuerte seine Unschuld und machte Palme für seine Situation verantwortlich. Auch der 2004 verstorbene Pettersson hatte gestanden.
Doch andere Palme-Experten wie der renommierte Kriminologe Leif Persson, der durch eine Fernsehsendung zu ungelösten Kriminalfällen führt, glaubt nicht an dieses Motiv. Falls Pettersson den Mord wirklich begangen habe, dann aus anderen Gründen. Palme hatte sehr mächtige Feinde. Rechtsradikale, von denen damals viele bei Polizei und Militär waren, wie auch die Wirtschaftselite hassten den Sozialdemokraten Palme für seine linke Politik. So wollte er etwa Unternehmer über Arbeitnehmerfonds teilenteignen.
Nach seinem Tod übernahm der rechte Flügel der Sozialdemokraten das Land sukzessiv und machte es polizei-, armee- und unternehmerfreundlicher. Persson ist sich sicher: »Sucht den Palme-Mörder bei der Polizei und dem Militär.« Der rechtsextreme Palme-Hasser und Waffenliebhaber Victor Gunnarsson wurde etwa zeitweise des Mordes verdächtigt, aber freigelassen. Seine Leiche wurde 1993 in den USA mit zwei Kopfschüssen aufgefunden. Die Motive sind unklar.
Spuren die ins Ausland, etwa zu Südafrikas Apartheidregime, der kurdischen PKK und einem iranischen Agenten führten, halten heute nur noch wenige Experten in Schweden für einleuchtend. Das kleine neutrale Schweden habe international zu wenig Gewicht gehabt, wird dazu unter anderem argumentiert.
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