Portugal schaut besorgt nach Spanien
Lissabon hoffte auf Unterstützung durch eine Linksregierung beim großen Nachbarn
Entsetzt schauen linke Politiker aus Portugal auf den großen Nachbarn Spanien. Führungsmitglieder des Linksblocks (BE) haben mehrfach den Chef der Schwesterpartei Podemos (Wir können es) angerufen. Auch die BE-Chefin Catarina Martins drängte Pablo Iglesias dazu, eine Regierung mit den Sozialisten (PSOE) zu bilden. Das zeigte Wirkung. Zuletzt hatte er Gespräche geführt, damit der PSOE-Chef Pedro Sánchez Ministerpräsident werden kann.
Was Kapitalmärkte und EU-Kommission fürchten, darauf hoffen BE, der griechische Regierungschef Alexis Tsipras und auch der der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn: eine »Anti-Austeritäts-Koalition«. Doch Hoffnungen, dass das viertgrößte Euroland Spanien darin die Führung übernimmt, sind weitgehend zerstoben. Sánchez schloss am Mittwoch einen Pakt mit der rechts-liberalen Partei »Ciudadanos« (Bürger).
Statt eines Bruchs mit dem harten Sparkurs ist Kontinuität vorgesehen. Statt auf Unterstützung von Podemos setzt Sánchez auf die Einbindung der rechten Volkspartei (PP). Die steht aber nicht nur für massive Korruption, sondern auch eine drakonische Austeritätspolitik und Einschnitte in demokratische Grundrechte. So war kaum verwunderlich, dass alle Linksparteien die Gespräche mit der PSOE abgebrochen haben.
In Portugal hat sich die Linke erstmals seit der Nelkenrevolution 1974 zusammengerauft. Tiefe Gräben wurden überwunden, um den Konservativen die rote Karte zu zeigen. Nun werden Einschnitte ins Sozialsystem, Renten- und Lohnkürzungen ebenso wie Steuererhöhungen zurückgenommen. Reibungslos läuft das nicht. Die grün-kommunistische CDU und BE fordern eine schärfere Gangart und Regierungschef António Costa musste schon einen Streik aushalten, weil Beschäftigte im öffentlichen Dienst die Rückkehr zur 35-Stunden-Woche fordern.
Doch niemand stellt das Bündnis in Frage. Costa ist glaubwürdig. Er nimmt auch die Privatisierung der Fluggesellschaft TAP teilweise zurück, die die Rechten noch durchgezogen hatten. Der Staat wird mit 50 Prozent Beteiligung wieder den Ton angeben. Costa will aber keine Konfrontation mit der EU-Kommission und hat Ratingagenturen im Blick. Diese drohen mit Abstufung der Kreditwürdigkeit. Würde auch die kanadische DBRS das Land auf »Ramschstatus« setzen, könnte die Europäische Zentralbank (EZB) seine Anleihen nicht mehr kaufen. Die Zinsen würden wieder unbezahlbar. Costa will beweisen, dass seine Maßnahmen vom erwarteten Aufschwung getragen werden und die mit Brüssel vereinbarten Ziele erfüllen.
Um das auch für andere Länder zu erreichen, wäre ein Schwenk in Spanien nötig. Doch in der gespaltenen PSOE gibt es starke nationalistische Tendenzen. Machtinteressen werden vor die Verbesserung der Lage verarmter Menschen gestellt. Eines der Probleme ist, dass sich die PSOE republikanisch gibt, aber die von Diktator Franco eingesetzte Monarchie stützt. Sie fällt sogar hinter britische Konservative zurück und will verhindern, dass Katalanen und Basken nach schottischem Vorbild über ihre Unabhängigkeit entscheiden.
Das ist ein Grund, warum sie sich in die Arme extrem spanisch-nationalistischer Parteien wie Ciudadanos wirft, statt ein Bündnis mit Podemos zu suchen. Die aufstrebende linke Alternative will die Probleme, die von den Konservativen zugespitzt wurden, wie die Briten über das Selbstbestimmungsrecht angehen. Podemos zielt auf eine soziale Republik und will mit Demokratisierung und Korruptionsbekämpfung Katalanen und Basken vom Verbleib in einem »plurinationalen« Land überzeugen. Nur wenn Sánchez darauf einschwenkt, kann er Regierungschef werden.
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