Ein Trojanisches Pferd voller Geld

Steuerzahlung wird für Lützen und Sachsen-Anhalt verhängnisvoll

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Lützen steht eine saftige Steuerzahlung ins Haus - an der die Stadt zu ersticken droht. Und selbst der Landeshaushalt von Sachsen-Anhalt könnte durcheinander geraten.

Die Danaer waren auf den ersten Blick freigebige Menschen. Sie bedachten die Stadt Troja mit einem großen hölzernen Pferd. Allerdings brachte die fromme Gabe den Empfängern kein Heil, sondern läutete deren Untergang ein: In dem Ross versteckte Soldaten öffneten die Tore der Stadt, die dem Feind damit offen stand.

Der Deutschen Bank muss man nicht die böse Absicht unterstellen, die Stadt Lützen zu plündern. Allerdings erweist sich eine Steuerzahlung in dreistelliger Millionenhöhe, die das Kreditinstitut an den knapp 8000 Einwohner zählenden Ort im sachsen-anhaltischen Burgenlandkreis entrichten soll, ebenfalls als ein sprichwörtliches Danaergeschenk. Der Geldsegen könnte dazu führen, dass der finanziell schon jetzt nicht auf Rosen gebettete Ort auf absehbare Zeit ruiniert wäre. Schuld daran ist zum einen eine Art Entschädigungsregelung für zu Unrecht gezahlte Steuern, außerdem aber das filigrane Geflecht finanzieller Ausgleichsbeziehungen zwischen Kommunen, Land und Bund.

Für den ersten Schreck sorgten mögliche Folgen eines Rechtsstreits um eine Steuerzahlung von 129 Millionen Euro. So viel sollte einem Bericht der »Mitteldeutschen Zeitung« zufolge eine Tochter der Bank, die im Lützener Ortsteil Sössen ansässig ist und in der die Altersvorsorge für Mitarbeiter verwaltet wird, für die Jahre 2011 bis 2013 nachzahlen. Die Bank kündigte aber eine Klage gegen den Bescheid des Finanzamts an. Ginge sie aus einem vermutlich mehrjährigen Streit als Sieger hervor, müsste Lützen den Betrag zurückzahlen - plus sechs Prozent Zinsen, rund sieben Millionen Euro pro Jahr. Das Geld hat Lützen nicht in Reserve. »Wir wären auf 100 Jahre handlungsunfähig«, zitiert das Blatt den parteilosen Bürgermeister Dirk Könnecke.

In die Bredouille geriete indes nicht nur die Stadt selbst, sondern auch der Landkreis und das Land. Ersterer würde über die Kreisumlage rund die Hälfte des Geldes abschöpfen; teilweise würde es an andere Städte und Gemeinden weiter verteilt. Das Land wiederum verrechnet Einnahmen wie die in Lützen mit seinen Zuweisungen, die - allerdings mit zweijähriger Verzögerung - gekürzt würden. Erwiese sich die Steuerforderung später als nicht gerechtfertigt, wäre das Durcheinander perfekt.

Inzwischen droht sich der höchstens für Außenstehende kuriose Fall gar auf das komplexe Geflecht des bundesweiten Finanzausgleichs auszuwirken. Diese Woche berichtete die »Mitteldeutsche« über eine weitere, diesmal nicht strittige Steuerforderung des Finanzamts an die Deutsche Bank von nun gar 150 Millionen Euro. Wegen der erklecklichen Einnahmen dürften der Bund und die Geberländer ihre Überweisungen nach Sachsen-Anhalt kürzen - und zwar um einen Betrag, der noch erheblich höher liegt als die Summe der Steuerzahlungen. Für das Land gehe es um rund eine halbe Milliarde Euro, sagte SPD-Finanzstaatssekretär Jörg Felgner dem Blatt.

Der Grund dafür ist auf der Internetseite von Lützen nachzulesen - in einer Liste der Steuersätze, die von Firmen erhoben werden. Während die Stadt selbst einen Hebesatz von 325 Prozent ansetzt, sind es in Ortsteilen wie Sössen und Rippach nur 200 Prozent, was deutlich unter dem Durchschnitt liegt. Im Bundesfinanzausgleich werden solche Einnahmen aber höher gewichtet, um zu vermeiden, dass sich Kommunen beim Werben um Investoren mit Niedrigsteuern unterbieten. Läge der Satz in Sössen nicht bei nur 200 Prozent - wer weiß: Vielleicht wäre das Trojanische Pferd der Deutschen Bank an Lützen vorüber gerollt.

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