Mehr Spielraum für Ausbau von Windenergie
Gesetzentwurf der Piraten in Schleswig-Holstein soll Windkraftgegnern mehr Gehör verschaffen
Kiel. Eigentlich gibt es nur wenige ausgewiesene Gegner erneuerbarer Energien in Schleswig-Holstein, doch gerade in Sachen Windkraft ist das St.- Florian-Prinzip allgegenwärtig. Gegen den Ausbau und das Repowering bestehender Anlagen werden vor allem gesundheitliche Beeinträchtigungen ins Feld geführt. Bedenkenträger wünschen sich dabei oft nur ihrer Ansicht nach vernünftige Abstandsregelungen. Geht es nach der Piratenpartei, muss dieser Bürgerwille in der Landesplanung zukünftig grundsätzlich wieder stärker berücksichtigt werden. Der Weg dorthin soll ein Gesetzentwurf sein, den die Fraktion in Kiel vorstellte, unterlegt mit einem Gutachten von dem Verwaltungs- und Baurechtler der Hochschule Ludwigsburg Arne Pautsch.
Ausgelöst durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Schleswig herrscht seit über einem Jahr große Verunsicherung im nördlichsten Bundesland. Darin deklarierte das Gericht die regionale Planung bei der Ausweisung von Windenergieflächen durch das Land als rechtswidrig. Die Begründung: Den Ausschlusskriterien in kommunalen Beschlüssen messe das Land einen zu großen Wert bei. Insbesondere in den unteren Planungsbehörden, bei kommunalen Entscheidungsgremien und Windparkgegnern führte das Urteil zu großer Unsicherheit. Zudem ist man hier verdrossen, weil die Beschlusslage aus Kommunen oder von Bürgerentscheiden nicht mehr zählen soll und befürchtet eine nach dem OVG-Urteil denkbare ungezügelte Expansion.
Die für die Landesplanung zuständige Staatskanzlei ließ damals verlauten, die Aufstellung eines neuen rechtskonformen Landesentwicklungsplanes benötige voraussichtlich zwei Jahre. Allerdings sicherte sich die Kieler Landesregierung unter der Federführung von Torsten Albig (SPD) und mit Unterstützung der CDU über einen parlamentarischen Schachzug noch im Mai 2015 einen weiterhin gesteuerten Ausbau von Windanlagen. Man beschloss dafür einen zweijährigen Baustopp mit der Option von Ausnahmegenehmigungen nach Einzelfallprüfung. Damit wollte die Landesregierung einem Stillstand in den Bauämtern begegnen, indem gestellte, aber noch nicht entschiedene Anträge für Windanlagen trotz fehlender neuer Leitplanung abgearbeitet werden konnten. Beobachter rechnen mit über 200 bewilligten Anträgen.
Im Hinblick auf die Bürgerakzeptanz in der neu zu entwickelnden Landesplanung wollen die Piraten den Bürgerwillen trotz der OVG-Rechtsprechung im Fokus behalten und Ausbaugegner, die sich nicht auf naturschützerische oder verkehrstechnische Gründe berufen, nicht generell ausbremsen. Kommunale Voten sollen demnach solange berücksichtigt werden, wie ausreichend andere Flächen zur Verfügung stehen. Laut der Expertise des Baurechtlers Pautsch besitzt das Land durchaus den Spielraum, vom eigentlich greifenden Raumordnungsgesetz des Bundes abzuweichen. Damit sieht sich die Piratenfraktion rechtlich auf der sicheren Seite, den Bürgerwillen weiterhin berücksichtigen zu können. »Mit der Brechstange kann die Energiewende nicht gelingen«, erklärt Patrick Breyer von den Piraten.
Die FDP hat den Vorstoß wohlwollend zur Kenntnis genommen, die CDU hingegen kritisiert, der Entwurf wecke bei Windkraftgegnern falsche Hoffnungen. Aus dem Regierungslager liegt noch keine Stellungnahme vor. Politische Zielvorgabe ist nach wie vor 1,7 Prozent der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie auszuweisen.
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