Besucherrekord in Sachsenhausen
Der KZ-Gedenkstätte braucht zusätzliches Personal, um das große Interesse zu befriedigen
Das Euthanasie-Museum und die Gedenkstätte im Zuchthaus in Brandenburg/Havel fallen mit 6690 beziehungsweise 1030 Besuchern im Jahr 2015 kaum ins Gewicht, ebenso das alte KGB-Gefängnis in der Potsdamer Leistikowstraße mit 9980 Besuchern. Das ehemalige Frauen-KZ Ravensbrück besichtigten im vergangenen Jahr 130 000 Menschen, und damit 20 000 weniger als ein Jahr zuvor. Aber die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen zählte 2013 rund 500 000 Besucher, 2014 etwa 600 000 und 2015 sogar 660 000.
»Sachsenhausen hat seit 1993 einen Besucherzuwachs von 400 Prozent zu verzeichnen«, stellte Günter Morsch am Dienstag fest. Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten bemängelte: »Im gleichen Zeitraum ist das Personal jedoch um über 20 Prozent reduziert worden.«
Die Landtagsabgeordnete Gerrit Große (LINKE) merkte an, das Land Brandenburg habe seine Zuschüsse in den Jahren 2009 bis 2016 um 30 Prozent erhöht, der Bund seine Zuschüsse aber um nur drei Prozent. Große forderte den Bund auf, die finanzielle Unterstützung der Stiftung zu verbessern.
Tariferhöhungen konnten so ausgeglichen werden. Das wegen des Besucheransturms zusätzlich benötigte Personal jedoch - die Stiftung spricht von »moderaten Wünschen« - konnte so nicht eingestellt werden. Grund sei die Haushaltspolitik des Bundes. »Es kann nicht sein, dass der große Erfolg der Gedenkstätte Sachsenhausen zum Handicap wird, das auf den Rücken der zunehmend überforderten Mitarbeiter abgewälzt wird«, kritisierte Morsch. Auch könne die Stiftung wegen des Wegfalls von EU-Mitteln nur noch wenige Sanierungsprojekte umsetzen, beschwerte er sich.
Immerhin geht in Sachsenhausen der Umbau einer Lagerwerkstatt zum neuen Depot für die Sammlungen weiter. 2017 soll das 80 Meter lange Gebäude für 30 000 Objekte und 430 Regalmeter Archivmaterial hergerichtet sein. 2,41 Millionen wird das kosten. In Ravensbrück wird weiter am alten Wasserwerk gearbeitet und die 731 500 Euro teure Sanierung des Zellenbaus wird fortgesetzt.
Außerdem sollen im Juli Bauarbeiten in Brandenburg/Havel starten. Dort soll in der Nähe der Justizvollzugsanstalt das alte Direktorenwohnhaus eine neue Ausstellung aufnehmen. Die Investition ist mit 757 000 Euro veranschlagt.
Bislang besteht die Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg lediglich aus der einstigen Hinrichtungsstätte. Zwischen August 1941 und April 1945 sind dort 2030 Todesurteile vollstreckt worden, verhängt zumeist vom Volksgerichtshof oder von anderen Sondergerichten. In den Justizakten des 1944 hingerichteten Hugo Härtig heißt es, um nur ein Beispiel zu nennen, der 72-Jährige sei von jeher marxistisch gesinnt gewesen, habe zwei Jahre lang ständig Feindsender gehört, einem im Untergrund lebenden Kommunisten Unterschupf verschafft und Flugblätter weitergegeben.
1964 wurde der Hinrichtungsraum mit einem Fallbeil aus dem Zuchthaus Torgau originalgetreu rekonstruiert und als Gedenkstätte eingeweiht. Auf Gefängnisgelände gelegen, ist sie aber nicht so einfach zugänglich, weswegen sich die Besucherzahlen sehr in Grenzen halten. Mit dem außerhalb der Gefängnismauern gelegenen Direktorenwohnhaus kann sich das ändern. Auf 160 Quadratmetern soll dort eine Dauerausstellung Platz finden, die den Strafvollzug von der Weimarer Republik bis heute darstellen soll - »wobei die NS-Zeit und die Zeit der DDR im Zentrum stehen werden«, wie angekündigt wird. Eröffnen soll die Dauerausstellung, an der eine Projektgruppe bereits seit Monaten arbeitet, im Jahr 2017.
Nicht überlebt haben 10 000 der 13 000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die zwischen September und November 1941 ins KZ Sachsenhausen verschleppt wurden. Diese 10 000 Menschen wurden in einer extra installierten Genickschussanlage ermordet. Betroffen waren Politkommissare, Parteifunktionäre, Juden und außerdem Soldaten, die angeblich als Aufwiegler auffielen oder für unheilbar krank angesehen wurden. Die Stiftung erinnert an diesen Massenmord, indem sie zum 75. Jahrestag der Ereignisse im Herbst erstmals vollständig eine Serie von rund 90 Fotos zeigt. Es sind Aufnahmen, die die Gestapo in Sachsenhausen von entkräfteten und zerlumpten Kriegsgefangenen anfertigte, unmittelbar bevor sie erschossen wurden. Die Fotos sind eigens zu dem Zweck gemacht worden, einige davon in der berüchtigten Propagandaausstellung »Das Sowjetparadies« im Berliner Lustgarten zu zeigen und mit dem vorgeblichen slawischen Untermenschentum den Vernichtungskrieg an der Ostfront zu rechtfertigen.
Die tschechischen KZ-Häftlinge Bohuslav Brablik und Jaroslav Šklíba, die diese Bilder entwickeln mussten, nahmen die Negative an sich und schmuggelten sie beim Todesmarsch 1945 aus dem Lager. Die Originale gehören heute zum Bestand des Staatsarchivs Prag und des Mährischen Museums Brno.
Einen anderen Aspekt des faschistischen Überfalls auf die Sowjetunion beleuchtet die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück vom 25. Juni bis zum 4. September in einer zweisprachigen Sonderausstellung über den Kriegseinsatz und die Gefangenschaft von Sanitäterinnen. 800 000 Frauen dienten in der Roten Armee, zum Teil als Bomberpiloten, Scharfschützen und Flakbedienung, vor allem aber als Ärzte, Krankenschwestern und Sanitäter.
In Stalingrad beispielsweise schleppten mutige Studentinnen heldenhaft weiter schwer verwundete Soldaten aus der Schusslinie, auch wenn sie selbst schon mehrfach getroffen waren. Die Verluste des medizinischen Personals waren in diesem Krieg die zweithöchsten nach denen der Infanterie. Extra erzählt werden in der Sonderausstellung die Schicksale von zehn kriegsgefangenen Ärztinnen und Krankenschwestern, die im KZ Ravensbrück waren.
stiftung-bg.de
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