Autocrash und Feuerwehr
Anwälte der NPD versuchen, die Partei als verfolgt zu präsentieren
Das Medieninteresse in Karlsruhe ist mindestens so groß wie der Aufwand für die Sicherheit. Das Verfahren zum Verbot der NPD soll durch nichts gestört werden. Fair soll es ablaufen. Das ist eine wichtige Prämisse. Und so hat die Partei ganz selbstverständlich viel Raum zur Selbstdarstellung. Neben dem Parteivorsitzenden Frank Franz waren weitere Mitglieder des Bundesvorstandes erschienen. In ihrem Schlepptau über 20 Vertreter der Parteigliederungen.
Rechtsanwalt Peter Richter, einer der NPD-Verfahrensbevollmächtigten, argumentierte wider den Verbotsantrag des Bundesrates. Und er glaubt dem Verfassungsschutz nicht. Man habe womöglich einen »Freund« aus dem sozialen Netzwerk Facebook auf ihn angesetzt. Und dass zwei Geheimdienstler auf einem Parkplatz in das Auto seiner Mutter gecrasht sind, das erscheint Richter doch sehr verdächtig. Einerlei, dass der Unfall bereits im November 2012 stattgefunden hat. Zu dem Zeitpunkt war weder klar, dass es ein zweites Verbotsverfahren gegen die NPD geben, noch dass er, Richter, ein Bevollmächtigter der beschuldigten Seite sein wird.
Richter gab zu, dass sein Verdacht auf »Spekulation und Prognose« beruhe. Nicht minder gilt das für den Vorwurf, dass die Vertraulichkeit seiner Kommunikation mit seiner Mandantin nicht gegeben sei, weshalb er die Verteidigungsstrategie mit den NPD-Chefs nicht optimal habe vorbereiten können. Grundsätzlich zweifelte er an, dass bereits ab Dezember 2012 alle V-Leute des Verfassungsschutzes in den Führungsetagen der NPD abgeschaltet worden sind. Eine Bestätigung der Innenminister reicht ihm nicht aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse sich dazu erklären, und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sowie der Finanzressortchef Wolfgang Schäuble (alle CDU). Letzterem unterstehe schließlich das Zollkriminalamt.
Ohne Offenlegung aller Geheimakten gebe es für die NPD keinen Grund, der Darstellung staatlicher Stellen zu folgen. Schließlich ist das erste NPD-Verbotsverfahren im Jahr 2003 gescheitert, weil in den Chefetagen der rechtsextremistischen Partei einige V-Leute saßen und nicht klar war, ob die nicht Belege, die ein Parteiverbot rechtfertigen, selbst konstruiert haben. Wer weiß, vielleicht läuft das ja alles so weiter, suggerierte Richter und verlangte im Grunde einen Beleg dafür, dass etwas, was er vermutet, nicht stattgefunden hat. Rechtsanwalt Richter meinte ebenso wie der zweite Bevollmächtigte der NPD, Michael Andrejewski, dass eine Einstellung des Verbotsverfahrens aufgrund von Verwahrungshindernissen unabdingbar sei.
Doch Richter ist immerhin klug genug, um zu wissen, dass er mit dieser Argumentation die Karlsruher Rotroben nicht überzeugen kann. Also hatte er hilfsweise diverse Misstrauensanträge gegen die Richterbank formuliert. Das erste Ziel war der Verfassungsrichter Peter Huber. Der war nämlich einst im Kabinett der CDU-Politikerin Christine Lieberknecht Innenminister von Thüringen und hat mehrfach dafür plädiert, der NPD die Vorteile des Parteiengesetzes zu nehmen. Noch »schlimmer« für die rechtsradikale Partei: Der Kampf gegen Rechtsextremismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, stehe in einer Broschüre der Freiwilligen Feuerwehr, für die Huber das Vorwort schrieb. Der Begriff »geistige Brandstifter« fiel.
Ähnlich untragbar sei der Verfassungsrichter Peter Müller. Denn dieser war als christdemokratischer Politiker von 1999 bis 2011 Ministerpräsident des Saarlandes und hat als solcher gesagt, dass es »unstreitig ist, dass die NPD verfassungswidrig ist« und rassistische Ziele verfolge. Das Misstrauen der Antragsgegner richtete sich gegen weitere Bundesrichter des Senats. Diese seien gar nicht ordentlich durch den Bundestag, sondern lediglich durch einen zwölfköpfigen Richterausschuss des Parlaments bestimmt worden. Die coole Antwort des Senats lautete: Man werde in der Mittagspause darüber beraten.
Der Vorsitzende Richter Andreas Voßkuhle hatte zu Beginn des Verfahrens noch einmal deutlich gemacht, was das Grundgesetz im Artikel 21 zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei und damit zusammenhängenden Folgeerscheinungen verlangt. Verboten werden können die Parteien, »die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden«.
Richter Müller, der sich als Berichterstatter besonders intensiv in die Problematik eingelesen hat, betonte ebenfalls den weiten Spannungsbogen zwischen der garantierten Freiheit, eine Partei zu gründen, und ihrem Verbot. Viel Wert legte er auf die Verhältnismäßigkeit einer solchen Entscheidung. Zumal dann, wenn die betreffende Partei ihre möglichen verfassungsfeindlichen Ziele in absehbarer Zeit gar nicht verwirklichen könne. Müller stellte mit Anspielung auf die aktuellen rechtsextremistischen Entwicklungen in Deutschland auch die Frage, ob die Unterstützung eines bestimmten gesellschaftlichen Klimas ausreiche, eine bestimmte Partei dafür in Haftung zu nehmen.
Mit diesen und ähnlichen juristischen Problemen wird sich das Bundesverfassungsgericht zunächst bis Donnerstag zu befassen haben. Nur ein paar Meter vom Gerichtsgebäude entfernt hatte die NPD Plakate aufgehängt. »Wir bleiben!« stand darauf. Das scheint angesichts der schweren Vorwürfe gegen die Rechtsextremen eine gewagte Prognose zu sein.
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