King Heroin ist zurück in den USA
Tausende US-Amerikaner wechselten von der Pille zur Spritze
Einst sang der Soul-Sänger James Brown über »einen der tödlichsten Killer im Land«. 1972 entstand das Lied »King Heroin«. Längst vergangene Zeiten, glaubt man. Doch die Droge ist zurück auf den Straßen der USA. Das Problem ist schon längst in der Öffentlichkeit angekommen, die Zeitungen schreiben wieder von einer Heroinepidemie. Denn seit 2010 hat sich die Zahl der Herointoten von rund 3000 auf über 10 000 Opfer mehr als verdreifacht.
Alles in allem starben 2014 in den USA 47 000 Menschen an Opiaten. Zum Vergleich: Im selben Jahr kamen jeweils rund 34 000 Menschen durch Autounfälle und Schusswaffengebrauch sowie 42 000 wegen Aids ums Leben. Schuld daran sind nicht allein die mexikanischen Drogenkartelle. Verantwortlich sei zu Teilen auch die Pharmaindustrie, die »diese Drogen produziert und nicht die Konsequenzen beachtet«, sagte etwa der linke demokratische US-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders während einer Debatte im Januar.
Denn die Konzerne produzieren zwar nicht das Heroin, dafür aber die Einstiegsdrogen. Painkiller, auf Deutsch Schmerztöter, werden sie genannt. Bevor auf die USA eine neue Heroinepidemie zukam, erlebten sie in den 1990er und 2000er Jahren eine angebliche Schmerzepidemie. Die scheinbare Lösung: die neuen Schmerztöter der Pharmaindustrie, wie OxyContin, Percocet und Vicodin. Die Ärzte verschrieben diese Opiate bei den kleinsten Wehwehchen. Allein 2012 gaben sie 259 Millionen solcher Rezepte aus, was einer Packung pro erwachsenem US-Amerikaner entsprach. Die Folge: Tausende Amerikaner wurden opiatabhängig.
Schließlich bemerkten auch die Behörden das Problem und schränkten die Vergabepraxis stark ein. Doch dies hatte nur zur Folge, dass die Medikamentenabhängigen von der Tablette auf die Nadel umstiegen. Denn die Pillen wurden durch die strengeren Verordnungen teurer und schwerer erhältlich als das stärkere Heroin. So zeigen Studien, dass einer von 15 Schmerzmittelabhängigen in den zehn letzten Jahren zur illegalen Alternative griff. Angesichts von zwölf Millionen Menschen, die solche Painkiller nahmen, macht dies 800 000 potenzielle Heroinabhängige in den Vereinigten Staaten.
Und vor allem ist die jetzige Heroinepidemie nicht mehr nur ein Problem der Gettos. Staaten wie New Hampshire und West Virginia erleben einen rapiden Anstieg der Zahl von Drogenopfern. Will heißen: Im Gegensatz zur Heroinepidemie der 1970er Jahre und der Crackepidemie der 1980er Jahre trifft die jetzige Welle nicht die schwarze Unterschicht, sondern die weiße Mittelschicht.
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