Zu wenig Grundschulgehalt

Gewerkschaft will ungleiche Bezahlung für verschiedene Schulformen beenden / Besonders Frauen betroffen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Lehrkräfte an Grundschulen bekommen noch immer deutlich weniger Gehalt als ihre Kollegen an weiterführenden Schulen. Die GEW kritisiert das als »mittelbare Geschlechterdiskriminierung«.

Noch immer werden Lehrkräfte an Grundschulen deutlich schlechter bezahlt als an Sekundarstufen und Gymnasien. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) betrachtet dies nicht nur als beamtenrechtlich und tarifpolitisch »unhaltbar«, sondern auch als »mittelbare Geschlechterdiskriminierung«, da der Frauenanteil an Grundschulen fast 90 Prozent beträgt. Eine entsprechendes Gutachten präsentierte die Gewerkschaft am Dienstagabend in Berlin. Verfasst wurde es von Eva Kocher, die an der Europa-Universität in Frankfurt an der Oder einen Lehrstuhl für deutsches und europäisches Arbeitsrecht innehat.

Die Gehaltsunterschiede sind demnach beträchtlich. Verbeamtete Grundschullehrkräfte erhalten die Besoldungsgruppe A 12, in weiterführenden Schultypen ist es A 13. So beträgt die jährliche Eingangsgrundvergütung (ledig, kinderlos, ohne Zulagen) für die erste Gruppe beispielsweise in Baden-Württemberg 37 470 Euro, während es für die Studienräte 53 074 sind. In den anderen Bundesländern liegen die Unterschiede zwischen 11 000 und 14 000 Euro pro Jahr. Nach Auffassung von Kocher ist dies durch das geltende Besoldungsrecht für Beamte nicht gedeckt und widerspricht zudem einschlägigen Antidiskriminierungsrichtlinien. Denn anders als früher muss mittlerweile auch für das Lehramt an Grundschulen ein wissenschaftliches Studium mit einem Masterabschluss absolviert werden. Zwar sei die Ausbildung für Primarstufen stärker auf Pädagogik und die der Studienräte stärker auf die einzelnen Fächer zentriert, dennoch handele es sich um eine »gleichwertige Qualifikation«, so Kocher.

Zudem sähen die Besoldungsbestimmungen vor, dass alle Absolventen eines wissenschaftlichen Studiums in die Stufe A 13 oder in einigen Fällen auch höher eingruppiert werden. Auch der Verweis auf die höhere Arbeitsleistung von Studienräten durch Korrekturen und Prüfungen tauge nicht als Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung, weil Grundschullehrkräfte mehr Stunden unterrichten müssten und zudem deutlich stärker mit Elternarbeit befasst seien als beispielsweise Gymnasiallehrer.

Für die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe ist das »tief verwurzelte Statusdenken vieler Studienräte« wesentliche Ursache für die Ungleichbehandlung. Auf internationalen Bildungskongressen stoße das »sehr deutsche Phänomen« auf Kopfschütteln. So würden etwa in Schweden nicht nur Gymnasial- und Grundschullehrer, sondern auch wissenschaftlich ausgebildete Fachkräfte in der vorschulischen Bildung und Erziehung gleichwertig eingestuft und bezahlt.

Bislang zeigen die Bundesländer in den Tarifgesprächen wenig Neigung, der Forderung nach einheitlicher Besoldung in allen Schulstufen nachzukommen, doch die GEW sieht aufgrund der Entwicklung der Bildungslandschaft mittelfristig Chancen für eine Angleichung. An den Universitäten finde längst »eine Abstimmung mit den Füßen statt«, immer mehr Studierende strebten die Studienratslaufbahn an, so Tepe. Das führe dazu, dass frei werdende Stellen an Grundschulen in manchen Ländern kaum noch mit entsprechend speziell ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden könnten. Dort kämen Lehramtsabsolventen zum Einsatz, die dann ohnehin nach A 13 bezahlt werden müssen, während die Bestandskräfte weniger bekämen. So gesehen »spielt uns der Grundschullehrermangel in die Hände«. Die Gewerkschaft prüft auch die Möglichkeiten für Musterklagen gegen die ungleiche Besoldung von Lehrkräften.

Es gehe aber nicht nur um die Ungleichbehandlung, betonten die Gewerkschafter, sondern auch um pädagogische Fragen, da die Arbeit an Grundschulen ganz spezielle Kompetenzen erfordere.

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