Finanzfluss statt Flüchtlingsstrom
EU-Kommission legt Notfallplan für Versorgung Asylsuchender vor / Balkanroute bleibt blockiert
Berlin. Insgesamt 700 Millionen Euro soll die Europäische Union in den kommenden drei Jahren bereitstellen, um Mitgliedsstaaten bei der Bewältigung des anhaltenden Flüchtlingszustroms zu unterstützen. Das schlug die EU-Kommission am Mittwoch in einem »Nothilfe-Plan« vor. 300 Millionen Euro sollen noch in diesem Jahr fließen und der Großteil davon nach Griechenland, erklärte der zuständige Kommissar Christos Stylianides in Brüssel. Dort gebe es die »schwerste Krise«.
In der griechischen Hafenstadt Piräus sind am Mittwoch wieder mehr als 1000 Menschen von den Ägäisinseln angekommen. In dem Hafen nahe Athen sind Medienberichten zufolge nun mehr als 2000 Geflüchtete in Lagerhallen untergebracht. Ihre Versorgung sei miserabel, berichteten Reporter.
An der griechisch-mazedonischen Grenze bei Idomeni ist ebenso keine Entspannung in Sicht. Nach griechischen Medienberichten warten mehr als 10 000 Migranten auf der griechischen Seite der Grenze. Die mazedonischen Behörden erlaubten am Mittwochmorgen lediglich 170 Flüchtlingen aus Syrien und Irak die Grenze zu passieren, hieß es von der griechische Polizei. Unterdessen hat die Türkei erstmals nach langer Zeit eine große Zahl von Migranten aus Griechenland zurückgenommen. So wurden am Dienstag und Mittwoch 267 Menschen zurückgeschickt. Wie das griechische Ministerium für Bürgerschutz am Mittwoch mitteilte, stammen sie aus Marokko, Algerien und Tunesien.
Die Regierung in Athen rechnet damit, dennoch bald 100 000 Menschen versorgen zu müssen, die wegen der Grenzschließungen entlang der Balkanroute nicht weiterkommen. »Wir werden kein Transitland mehr sein«, sagte Migrationsminister Ioannis Mouzalas einer Gruppe von Bürgermeistern laut griechischen Medien. Deshalb müssten in allen Regionen des Landes neue Aufnahmelager errichtet werden. Nach Informationen aus Regierungskrisen braucht der Mittelmeerstaat neben Zelten und kleinen Containerwohnungen vor allem chemische Toiletten, Klimaanlagen, Wasserbehälter, Heizungen, Generatoren, Duschen, Betten und Matratzen, Krankenwagen, Kleinbusse, Handys und alle möglichen Medikamente. Zudem sollten mehr als 8000 Menschen für die Sicherheit, die Gesundheit und die Verpflegung der Migranten eingesetzt werden. Griechenland hat bei der EU bereits Hilfen in Höhe von 480 Millionen Euro beantragt. Dies wird noch geprüft.
Athen erhält zwar schon Unterstützung von der EU, doch die aktuellen Instrumente lassen sich laut EU-Kommission nicht schnell genug einsetzen. Bei der Verwendung der neuen Mittel will Brüssel mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten. Kommissar Stylianides warnte aber auch: »Wir sollten keine Illusionen haben: Um diese Krise nachhaltig zu lösen, müssen wir die (Flucht-)Ursachen in den Herkunftsländern angehen - Syrien, Irak, Afghanistan.«
Derweil hat Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann Deutschland aufgefordert, direkt Flüchtlinge aufzunehmen. Berlin solle eine Tagesquote festlegen und Menschen in Griechenland, Jordanien und der Türkei Durchreise-Zertifikate ausstellen, sagte Faymann. Dieselbe Forderung stellte die deutsche Hilfsorganisation Pro Asyl. Angesichts der Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze müsse die Bundesregierung »ein öffentliches Signal setzen, das europaweit wirkt«, so Geschäftsführer Günter Burkhardt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zunächst nicht dazu. Sie kam in Berlin mit CSU-Chef Horst Seehofer zu Beratungen über die Flüchtlingspolitik zusammen. Der bayerische Ministerpräsident bewertete das Treffen als »sehr entspannt und gut«. Agenturen/nd Seiten 4 und 6
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