Puzzeln für die Unterbringung
Mitte sucht weiterhin nach geeigneten Grundstücken zur Flüchtlingsunterbringung
»Ein Koalitionspartner forderte eine Obergrenze, der andere eine Untergrenze«, sagt Christian Hanke (SPD), Bezirksbürgermeister von Mitte über den Kompromiss der rot-schwarzen Senatskoalition zur Standortfrage für Flüchtlingsunterkünfte. Für Mitte habe das Konsequenzen, da im Rahmen der früheren Immobilienpolitik der Bezirk alle nicht genutzten Gebäude an den Liegenschaftsfonds abgegeben habe. Der Großteil ist inzwischen verkauft.
60 Standorte für die auf 40 bis 50 Jahre Lebensdauer ausgelegten Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF) und 30 Grundstücke für Container mit einer geplanten Nutzungszeit von drei bis fünf Jahren sollen dieses Jahr identifiziert und möglichst auch bebaut werden. Er teile völlig diese Linie von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), sagt Hanke, »mir fehlt nur die Fantasie, wie ich auf die fünf Standorte komme«. Es gebe inzwischen die Verabredung mit Kollatz-Ahnen, dass der Bezirk auch kleinere Grundstücke anbieten könne, solange die geplante Gesamtkapazität von 2500 Unterzubringenden erreicht werde.
»Kann man hier Container oder MUFs hinstellen?« Diese Frage begleite Hanke auf jeder Fahrt durch den Bezirk. In Prüfung sei das Areal am Zentralen Festplatz für die Unterbringung von 500 bis 1500 Flüchtlingen. Das Gebiet zwischen Autobahn, Kaserne und Kanal ist alles andere als zentral. »Das ist nicht wirklich geeignet, weil es überhaupt keine Anbindung an den Stadtteil gibt«, sagt Hanke. Außerdem gehe der Schaustellerverband auf die Barrikaden. »Wir scannen auch Flächen unter 5000 Quadratmetern«, sagt der Bezirksbürgermeister. Geprüft werde zum Beispiel der landeseigene Parkplatz beim Haus der Statistik am Alexanderplatz. Das wäre mit 250 Flüchtlingen ein kleinerer Standort. »Wir überlegen auch, ob wir die eine oder andere Grünanlage, die durch mangelnde Pflege in schlechtem Zustand ist, temporär für Container nutzen können«, so Hanke. So sei man bereits in den 1990er Jahren mit einer Fläche im Randbereich des Humboldthains verfahren. Mögliche Standorte will er allerdings noch nicht nennen.
Noch auf der aktuellen Liste ist das Gelände der Wiesenburg im Wedding. »Dort habe ich aber kein Interesse, die Entwicklung durch die Errichtung von MUFs zu zerschießen«, so Hanke. Für das Gelände des ehemaligen Obdachlosenasyls führen der Bezirk und die städtische Wohnungsbaugesellschaft degewo ein Werkstattverfahren durch. »Kunst, Soziales und Wohnen sollen dort zusammenkommen«, sagt der Bürgermeister und hofft, 2018 den Grundstein legen zu können. »Das wird sozialer Wohnungsbau für alle.«
Die von Mittes Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Grüne) angeregte Anmietung von bis zu 2000 Plätzen in Hostels zur Unterbringung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge werde derzeit durch den Finanzsenator geprüft. »Bei uns schaut man genauer hin, als bei der freihändigen Vergabe durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo)«, begründet Hanke diesen Schritt.
Voran geht es auch mit den Planungen für das erweiterte Bürgeramt im Rathaus Tiergarten. Hanke rechnet mit etwa 1000 Bewerbern auf die 50 für alle Bezirke zentral ausgeschriebenen Stellen. »Ich hoffe, dass sie am 1. Mai eingestellt sein werden.« Bis sie ausreichend ausgebildet sind, werde allerdings noch weitere Zeit verstreichen. »Ab dem Sommer wird es dadurch eine spürbare Entlastung der Bürgerämter geben«, glaubt Hanke.
Dann soll das 20 Mitarbeiter starke »Kompetenzzentrum Bürgerdienste für Flüchtlinge« in Tiergarten seine Arbeit aufnehmen. Um mit den vorhanden Raumkapazitäten nutzen zu können, werden die Öffnungszeiten von 35 auf 50 Stunden pro Woche erhöht. »Entweder läuft alles normal, oder wir werden total überrannt«, sagt Hanke.
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