Initiative demonstriert vor AfD-Zentrale in Berlin

Reste einer abgebrannten Flüchtlingsunterkunft an AfD übergeben / rechtspopulisten müssen sich für geplanten Landesparteitag neue Räumlichkeiten suchen

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.
Unbekannte verübten 2015 einen Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Nauen. Aktivisten brachten die Überbleibsel nun zur Berliner Parteizentrale der AfD. Sie wollten damit »Die Hetze wieder zum Empfänger bringen.«

Als der Bus gegen elf Uhr in der Schillstraße nahe der Bundesgeschäftsstelle der »Alternative für Deutschland« (AfD) hält, geht es ganz schnell: Rund 30 in weiße Maleranzüge gehüllte Aktivisten steigen aus den Türen und laufen schnellen Schrittes auf das Bürohaus zu, indem die Zentrale der Rechtsaußenpartei zu finden ist. Einige der Aktivisten betreten mit Kübeln voller Bauschutt und Asche das Gebäude und laden den Unrat vor dem Parteibüro ab. Draußen vor dem Eingang platzieren Antifaschisten derweil angekohlte Brandschutzreste und Balken, die sie zügig mit Abspeerband umzäunen. Es handelt sich um die Überreste einer im Sommer 2015 abgebrannten Flüchtlingsunterkunft aus Nauen, erklärt ein Aktivist.

Ein Transparent mit der Aufschrift »Return to Sender« – Zurück zum Absender – wird vor dem Bauschutt aufgespannt. Welche Verantwortung trägt die Rechtsaußenpartei für die aktuelle Eskalation der rechten Gewalt? »Die AfD begeht kalkulierte Grenzüberschreitungen. Sie ermutigt die Leute, Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden«, sagt Andreas Funk von der Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative«.

Die Partei verschiebe die öffentliche Debatte immer weiter nach Rechts, erklärt der Aktivist. »Die Forderungen, an der Grenze zu schießen, sind bewusst gewählt«, so Funk. Die AfD habe zudem mittlerweile eine koordinierende Rolle in den bundesweiten rassistischen Aktivitäten eingenommen. »Es gibt eine wechselseitige Beeinflussung zwischen dem rechtem Mob und der Partei«, sagt der Antifaschist.

Anschlag in Nauen: Behörden gehen von »rechter Zelle« aus

Nach der Zerschlagung einer mutmaßlich militanten Neonazigruppe in Nauen westlich von Berlin prüft die Bundesanwaltschaft jetzt, ob sie Ermittlungen wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung aufnimmt.

Die Aktion ist so schnell zu Ende, wie sie angefangen hat. Nach fünf Minuten ziehen die Antifaschisten weiter und entledigen sich ihrer Maleranzüge. Die Polizei kann sie nicht mehr erwischen. Die Stimmung ist gut bei den Aktivisten, bevor man sich in verschiedene Richtungen zerstreut.

Die Aktion stellte den Auftakt des für dieses Wochenende geplanten Antifa-Aktionswochenendes dar. Bundesweit sollen am 5. und 6. März unter dem Motto »Die Brandstifter in Nadelstreifen Besuchen« Aktionen gegen die »AfD und ihre Freunde« laufen. Hinter der Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative« steckt ein breites Bündnis antifaschistischer und antirassistischer Gruppen aus ganz Deutschland.

Erst letzte Woche erhielt ein Tortenangriff des »Peng!-Kollektivs« auf die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch in Kassel große Medienaufmerksamkeit. Für Berlin kündigt der Sprecher der Kampagne, Andreas Funk, noch weitere Aktionen an. »Man kann ja nicht immer nur Torten vorbei bringen.«

Die Berliner AfD muss sich derweil für ihren Landesparteitag und ihre Wahlparty am 13. März einen neuen Ort suchen. Die Hotelkette »A&O Hostel« hatte nach Drohungen der linken Szene einen Rückzieher gemacht. Dies gab AfD-Parteisprecher Christian Lüth am Donnerstag bekannt. »Es wird für die AfD immer schwieriger, Räumlichkeiten für öffentliche oder interne Veranstaltungen anzumieten«, sagte der Sprecher. Unbekannte hatten sich am Donnerstag auf der Internetplattform »linksunten.indymedia« zu einem Farbanschlag auf das Hotel bekannt. Weitere Aktionen werden in dem Schreiben angekündigt. »Die Markierung war nur der Anfang, lasst uns den Parteitag zum Desaster machen!«

Die AfD hat laut Medienberichten in Berlin fast 1000 Mitglieder. Der Landesverband trat bisher nur selten öffentlich in Erscheinung. Einzelne Parteimitglieder dagegen schon: Nach Recherchen des »Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin« (apabiz) soll der Beisitzer des Bezirksvorstandes der Lichtenberger AfD, Heribert Eisenhardt, bei den wöchentlichen islamfeindlichen Bärgida-Aufmärschen als »Pressesprecher« und »Organisator« von Beginn an eingebunden gewesen sein. »Natürlich ist Berlin ein anderes Pflaster. Es gibt aber starke Ortsverbände«, sagte Andreas Funk von der Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative«. »Insgesamt ist der Landesverband aber nicht so gut aufgestellt, dass man ihn nicht noch bis zur Wahl im Herbst entscheidend schwächen könnte.«

Im Falle des Brandanschlags auf besagte Flüchtlingsunterkunft in Nauen gab es am Freitag neue Erkenntnisse. Der Anschlag ist nach Informationen von Polizei und Staatsanwaltschaft das Werk einer rechten Gruppierung, deren Kopf ein NPD-Mann sein soll. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Junker am Freitag in Potsdam berichtete. Zudem prüfe die Bundesanwaltschaft die Aufnahme von Ermittlungen wegen des noch schärferen Vorwurfs der Bildung einer terroristischen Vereinigung. »Es besteht der Eindruck, dass in Nauen seit dem letzten Jahr eine Art «rechte Stadtguerilla» unterwegs gewesen ist«, sagte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). In der Sporthalle eines Oberstufenzentrums in Nauen sollten 100 Asylbewerber vorübergehend unterkommen. Kurz bevor die ersten Flüchtlinge einziehen konnten, ging sie Ende August 2015 in Flammen auf.

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