Neue Chancen für die Linke in Irland

Der politische Aktivist Eamonn McCann über Ursachen und Folgen des irischen Wahlergebnisses und die Niederlage des konservativen Premiers Enda Kenny

  • Katharina Millar
  • Lesedauer: 4 Min.
Bei der Parlamentswahl in Irland hat die Koalition des konservativen Premiers Enda Kenny ihre Regierungsmehrheit verloren. Eamonn McCann, Gewerkschafter und Kandidat der linken Partei People before Profit, spricht über die Ursachen und Folgen.

Nachdem nun endlich alle Stimmen ausgezählt sind: Wie kam es zu diesem Wahlergebnis in Irland?
Das Land wird seit fast einem Jahrhundert von zwei politischen Parteien dominiert. Es gab bisher keine Regierung, die nicht von einer der beiden ehemaligen Bürgerkriegsparteien - Fine Gael oder Fianna Fáil - geführt wurde. Das wirklich historisch Bedeutsame an der jüngsten Wahl ist da, dass zum ersten Mal über 50 Prozent der Wähler keiner dieser Parteien ihre Stimme gegeben haben. Dazu kommt, dass es jetzt die größte linke Präsenz seit Gründung der Republik Irland im Parlament gibt. Für mich reflektiert das den wachsenden Ärger von vielen Leuten, die sich selbst nicht unbedingt als links bezeichnen würden, die aber wütend auf die Regierung sind - über das Aufzwingen der Wassergebühren, die Einführung unterschiedsloser pauschaler Besteuerung, die miserable Wohnungsmarktsituation, die Vernichtung von Arbeitsplätzen, die ganze Krise, die dem Bankenkollaps gefolgt ist.

Was bedeutet das für eine Regierungsbildung?
Zur Zeit ist schwierig abzusehen, wie eine Regierung geformt werden kann. Idealerweise, vom linken Standpunkt aus betrachtet, sollten sich die beiden großen rechten Parteien zusammenschließen. Ihr Streit seit 1922 war bitter, mit vielen Toten auf beiden Seiten. Doch 100 Jahre später leben wir in einer anderen Welt. Sturheit verhindert das Zusammenkommen, nicht etwa politische oder ideologische Unterschiede. Und da eine linke Regierung ausgeschlossen ist, bliebe ansonsten nur die Option einer Minderheitsregierung unter Fianna Fáil oder unter Fine Gael, der letzten Regierungspartei. Aber beides wäre hochgradig instabil.

Wie geht es denn jetzt praktisch weiter?
Wenn die Bildung einer tragfähigen Regierung nicht möglich ist, wird man irgendwann den Versuch aufgeben müssen, sie aus den unterschiedlichen Versatzstücken des politischen Spektrums zusammenzustückeln. Meine Vorhersage inmitten dieses Chaos’ lautet daher Neuwahlen binnen eines Jahres - und dann wird es interessant sein, wie die Leute reagieren. Ich vermute, das könnte der Rechten zugute kommen; das ist nicht unvermeidlich so, aber diese Gefahr besteht.

Und die Linke?
Das andere Problem ist dann vielleicht auch, dass die Linke gespalten ist. Das ist sie nicht nur in Irland, aber hier ziemlich tief. Die größte Partei, die sich in der Republik als links darstellt, ist natürlich Sinn Féin. Viele von uns halten Sinn Féin aber lediglich für eine nationalistische Partei mit linker Fassade. Sie versteht die Stimmungslage, versteht, was die Leute zur Zeit erwarten. Viele in der Linken gehen allerdings nicht davon aus, dass sie in der Regierung ein radikales Programm umsetzen würde.

Daneben gibt es noch eine Reihe von Unabhängigen, links und rechts. Und dann ist da die »People before Profit /Anti Austerity Alliance«, zwei wirklich kleine Organisationen, die mit ihrem Zusammenschluss festgestellt haben, dass sie mehr als lediglich die Summe ihrer Einzelteile sind und nunmehr sechs Abgeordnete im Parlament haben. Auch das hat es in der Geschichte der Republik Irland noch nicht gegeben: Sechs Parlamentarier, die sich offen als Revolutionäre bezeichnen, die sich auf eine breite Basis stützen und so einen, in Relation gesehen, bedeutsamen Erfolg erzielt haben. Ich hoffe, das wird ein Faktor sein, wenn die großen Parteien eine Regierungsbildung versuchen.

Kann die Linke langfristig einen Nutzen aus der Situation ziehen?
Eine erschreckend große Zahl der Unabhängigen und sogar Mitglieder rechter Parteien haben versucht, sich den Wählern als linksorientiert zu präsentieren. Das war manchmal richtig amüsant. Die politische Linke heute in der Republik zu definieren, ist schwierig, bei so vielen Vertretern ist der Raum gerade etwas überfüllt. Aber das sagt auch etwas aus über die Stimmung im Land, über die politische Entwicklung, wenn so viele, selbst aus dem objektiv betrachtet rechten Spektrum, es für notwendig erachten, sich links zu präsentieren.

Die Linke muss da ihre Position verteidigen, weiter für ein linkes, ein sozialistisches, klassenbezogenes Verständnis von den Geschehnissen in Irland argumentieren; dafür sorgen, dass der jetzige Wahlausgang nicht einfach nur eine kleine, atypische Brise Radikalismus darstellt, sondern tatsächlich Teil einer neuen politischen Realität wird, in der Wähler ihre Stimme auf klassenpolitischer Grundlage abgeben.

Das hat zu tun mit Armut, mit Wassergebühren, mit gewerkschaftlichen Rechten, basierend auf Klassenpolitik statt auf Kirchturmpolitik oder Ressentiments, die 100 Jahre zurückliegen. Es ist möglich, wir sehen das Erwachen von Klassenpolitik in Irland. Die Frage ist, ob die Linke darauf aufbauen und die Entwicklung für die nächsten Wahlen verfestigen kann. Wir könnten das. Aber werden wir es auch tun?

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