Böse und bedrippt
Greese wäre 90
Seine stupsige Nase, so hat er selbst gemeint, sei eine »gut gebaute Sprungschanze« in die Unverkennbarkeit. Er sagte es mit der Selbstironie des Mannes, der sehr wohl um die wahren Kriterien für schauspielerische Besonderheiten wusste. Wolfgang Greese war ein regsames Dauergesicht in Film und Fernsehen. Der Biedere, der Böse, der Betuliche, der Bedenkende, der Bedrippte. In Konrad Wolfs »Ich war 19«, in Egon Günthers »Die Schlüssel«, in Lothar Warnekes »Dr. med. Sommer II« - Greese auffällig in müder Hoffnung, in respektgebietender Strenge, in funktionärer Gemessenheit. Sechs Jahre Berliner Volksbühne, aber im Hauptteil des Lebens - das 1926 in Lübz begann - ein Spieler vor der Kamera. In Horst Bonnets DEFA-Operette »Orpheus in der Unterwelt« brillierte er als zeitversetzter Musiklehrer: ein komisches Spiel um einen verschleimten Charakter. Sein letzter großer Erfolg war die MDR-Serie. »Mama ist unmöglich«. Das früher so ausgiebig Verschlagene - gänzlich gewandelt ins Väterliche; das schillernd Zwielichtige aufgelöst in hell lächelnder Milde. Aber doch die alte witzige Gabe: verdutzt in die Welt zu schauen, als habe sich Gott mit der Schöpfung in der Adresse geirrt. Heute wäre Wolfgang Greese, der 2001 starb, 90 Jahre alt geworden. hds
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