Einst war hier die Startrampe für Helmut Kohl

Rheinland-Pfalz, linksrheinisch und künstlich geschaffen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
In 51 Wahlkreisen bestimmen die Bürger bei der Landtagswahl 2016 in Rheinland-Pfalz die Zusammensetzung des 17. Landtages im Deutschhaus in Mainz.

Das überwiegend linksrheinische Bundesland Rheinland-Pfalz ist nicht historisch gewachsen, sondern ein Produkt der Grenzziehung durch die Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg. Es entstand 1946 aus Gebieten, die zuvor zu Preußen, Hessen, Oldenburg und der bayerischen Pfalz gehört hatten. Das Land zählt heute rund vier Millionen Einwohner und erstreckt sich vom Westerwald und den Stadtgrenzen der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn über Eifel und Hunsrück bis hin zum Pfälzer Wald und zur Grenze zum Elsass. Die durch die Grenzziehung vollzogene Abtrennung rechtsrheinischer von industriell geprägten Mainzer Stadtteilen an das Land Hessen sorgte bis in die jüngste Vergangenheit für Emotionen. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Rheinland-Pfälzer entwickelte sich erst im Laufe der Jahre.

Weite Teile des Landes sind historisch durch Kleinstädte, Landwirtschaft und Weinanbaugebiete an Rhein, Mosel, Ahr, Nahe und in der Pfalz geprägt. Das am Zusammenfluss von Rhein und Mosel gelegene Koblenz galt als Hochburg des preußischen Militarismus. Nach 1945 entwickelte sich das Land als wichtiger Militärstandort und mit seinen US-Luftwaffenstützpunkten als bedeutender internationaler »Flugzeugträger« und Stützpunkt der US-Militärs.

Zu den wichtigsten Industrien und größten Arbeitgebern im Land zählen der Chemiegigant BASF in Ludwigshafen, der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim, das Daimler-Werk im südpfälzischen Wörth und das Opel-Motorenwerk in Kaiserslautern. Während einige Landesteile im Laufe der Jahrzehnte eine starke Industrialisierung erfuhren, macht der Niedergang traditioneller Branchen wie der Schuh- oder Edelsteinindustrie den unter anhaltendem Bevölkerungsschwund leidenden »Armenhäusern« in Regionen um Pirmasens, Zweibrücken und Idar-Oberstein bis zum heutigen Tag zu schaffen. In der westlichen Region um Trier und Bitburg leben viele Auspendler, die im benachbarten Luxemburg in Lohn und Brot stehen.

Über Jahrzehnte galt das mehrheitlich katholische Land als »strukturkonservativ« und uneinnehmbare Hochburg der CDU. Hier begründete der langjährige Kanzler Helmut Kohl als junger Ludwigshafener Landtagsabgeordneter, Fraktionschef und Regierungschef von 1969 bis 1976 seine Politkarriere. Sein Nachfolger in der Staatskanzlei, der spätere Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel, trat 1988 nach einer Abstimmungs- und Wahlniederlage bei einem CDU-Landesparteitag zurück.

1991 verlor die zerstrittene Landes-CDU die Landtagswahl. Mit Rudolf Scharping wurde erstmals ein SPD-Mitglied Ministerpräsident einer Koalitionsregierung mit der FDP. Scharpings Nachfolger Kurt Beck wurde gegen Ende seiner Amtszeit von der anhaltenden Krise der für Billigflieger konzipierten Flughäfen Hahn und Zweibrücken und dem Skandal um die Pleite eines privat finanzierten Freizeitparks am Nürburgring in der Eifel eingeholt. Beck erreichte den Zenit seiner Karriere, als seine Partei 2006 die absolute Sitzmehrheit im Mainzer Landtag errang. Doch danach setzte ein Niedergang der SPD ein, die schon 2011 knapp zehn Prozentpunkte verlor und nur mit Hilfe der damals durch den »Fukushima-Effekt« gestärkten Grünen die Regierungsämter halten konnte. Auch als kurzzeitiger Bundesvorsitzender der SPD von 2006 bis 2008 war Beck ebenso glücklos wie ein Jahrzehnt zuvor Scharping, der nach nur zwei Jahren an der Spitze der Bundespartei 1995 beim Mannheimer Parteitag von seinem Herausforderer Oskar Lafontaine aus dem Amt verdrängt wurde. Anfang 2013 übergab Beck den Chefsessel in der Staatskanzlei an die bisherige Sozialministerin Malu Dreyer, die als politische »Quereinsteigerin« nicht die in der SPD sonst übliche »Ochsentour« hinter sich hat. Beck fungiert heute als Berater und Lobbyist für Boehringer Ingelheim.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.