In den Städten läuft es gut
Die Linkspartei hat das Ziel noch nicht aufgegeben: Erstmals Einzug in den Stuttgarter Landtag
Die LINKE in Baden-Württemberg kämpft. Mit dem Parteivorsitzenden Bernd Riexinger als Spitzenkandidat will sie am 13. März endlich den Einzug in den Landtag schaffen. 2011 scheiterte sie. Einfach wird es auch jetzt nicht, in Umfragen liegt sie bei vier Prozent. »Die Stimmung bei uns ist trotzdem gut«, sagt Riexinger.
Klar, vier Prozent, da könnte manch potenzieller Wähler glauben, seine Stimme wäre verschenkt, das weiß auch Riexinger. »Aber genauso gut kann man sagen: Vier Prozent - da ist die Fünf zu schaffen.« Er erinnert daran, dass noch keine Umfrage vor Landtagswahlen im Westen die Linkspartei bei fünf Prozent gesehen habe - und dann sei sie zum Beispiel in Hessen doch eingezogen.
Also lautet die Devise auf den letzten Metern: Nicht nachlassen, Flugblätter verteilen, mit den Menschen reden. Da habe sich etwas geändert, erzählt Riexinger. »Vor Weihnachten wollten viele gar nicht reden. Da lief das nach dem Motto: Wir glauben niemandem mehr. In den letzten sechs Wochen wurde das anders. Wir kommen jetzt besser ins Gespräch.«
Auch weil die LINKE-Wahlkämpfer erstmals von Tür zu Tür gehen, um Wähler zu finden. Vor allem in sozialen Brennpunkten sind sie unterwegs und versuchen, mit ihrem Programm gegen soziale Ungerechtigkeit zu überzeugen. »Es gibt ja genügend Armut im reichen Baden-Württemberg«, sagt der 60-Jährige.
Jedes sechste Kind sei armutsgefährdet, fast jeder vierte Arbeitsplatz in irgendeiner Form unsicher, es gebe extrem viel Leiharbeit, Werkverträge, und der soziale Wohnungsbau, den die CDU de facto gestoppt hatte, sei auch unter Grün-Rot in fünf Jahren nicht wirklich in Schwung gekommen. Aufregungspotenzial für Niedrig- als auch Normalverdiener ist reichlich vorhanden. Allerdings ist da die Flüchtlingsfrage, die alle anderen Themen überlagert. Riexinger: »In ländlichen Gebieten haben wir es schwer, mit unseren sozialpolitischen Themen durchzudringen.« Bei Wahlveranstaltungen im Schwarzwald kämen dann so 30 oder 40 Interessierte. In den Städten dagegen laufe es gut: »Bei Sahra Wagenknecht in Tübingen waren 1000.« Darunter viele junge Leute. »Da punkten wir mit unserem klaren Standpunkt für Weltoffenheit und Toleranz. Die Jüngeren sagen, die LINKE wäre die letzte echte Menschenrechtspartei«, so Riexinger und hofft: »Über die Flüchtlingsfrage passiert da eine Politisierung.« Und zwar nicht nur nach rechts.
Natürlich wirbt der ehemalige ver.di-Geschäftsführer von Stuttgart auch in seinen vertrauten Kreisen: Riexinger geht in Krankenhäuser, zur Müllabfuhr, zu Gewerkschaftsveranstaltungen. »Da kennen mich noch viele.« In seiner Stuttgarter ver.di-Zeit hat der gelernte Bankkaufmann sich vor allem um prekär Beschäftigte im Einzelhandel verdient gemacht. So brachte er die jungen Verkäuferinnen von H&M dazu, sich zu organisieren, Betriebsräte zu gründen und mehr Lohn zu erstreiten. Warnstreiks im Einzelhandel - nicht gerade häufig in der Republik - kamen unter seiner Leitung zustande.
Das ist die Stärke von Bernd Riexinger: Er kann mit Menschen reden, hört zu, er vernetzt Gruppen, um deren Schlagkraft zu erhöhen, bindet ein statt auszugrenzen. Für die linke Szene, die sich gerne mal im Kleinklein verliert, ist das keine Selbstverständlichkeit. So hat er auch die damals zerstrittene Bundespartei befriedet, nachdem er 2012 gemeinsam mit Katja Kipping deren Vorsitz übernahm. Ende Mai stellt er sich auf dem Bundesparteitag gemeinsam mit Kipping zum dritten Mal zur Wahl. Was, wenn es in Baden-Württemberg erneut nicht klappt mit dem Einzug ins Parlament? Wird ihm das nicht schaden? Riexinger lacht. »Ich glaube nicht. Das wäre nur der Fall, wenn es gerade innerparteiliche Grabenkämpfe gäbe. Gibt es aber nicht.« Im Südwesten aktiv bleiben will er auf jeden Fall. Entweder im Landtag oder an der Basis. »Die Kreisverbände liefern hier gerade einen sehr engagierten Wahlkampf. Egal, wie es ausgeht: Die Partei ist gestärkt und das müssen wir auch in Zukunft nutzen.« Schließlich sei im nächsten Jahr Bundestagwahl.
Für den Wahlabend am 13. März hat sich die Linkspartei übrigens im Waldheim Clara-Zetkin-Haus in Stuttgart-Sillenbuch eingemietet. Was sich so passend anhört, ist weit, weit weg vom Stuttgarter Zentrum, wo die anderen Parteien sich versammeln. 2011 hatte die LINKE sich noch in der Stadt getroffen. Damals war man fest davon überzeugt, in den Landtag zu kommen, wollte groß feiern. Doch es kam anders. Die LINKE landete bei 2,8 Prozent, aus der Wahlparty wurde eine Frustveranstaltung, die auch noch ziemlich teuer war. Teuer wird es im Waldheim sicher nicht.
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