Orden und Sorgen
Beim Besuch des serbischen Präsidenten in Moskau geht es auch um NATO und EU
Eigentlich sollte Serbiens Präsident Tomislav Nikolić Donnerstag bei seinem Russland-Besuch nur den »Orden für Verdienste um die Einheit der christlich-orthodoxen Völker« entgegennehmen. Doch die jüngsten Entwicklungen sorgten dafür, dass es bei den Konsultationen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Patriarch Kirill, Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, auch um hohe Politik ging. Moskau bangt um seinen derzeit einzigen Verbündeten auf dem Balkan und fürchtet dessen »stille Integration« in NATO und EU, wie ein russischer Diplomat formulierte.
Ängste sind nicht ganz unbegründet. Zwar stand Moskau 1999 im Kosovo-Krieg auf Seiten Serbiens und versuchte, die Entlassung der Albaner-Region in die Unabhängigkeit zu verhindern. Doch Dankbarkeit ist keine Konstante internationaler Beziehungen. Mit Argwohn verfolgt Moskauer die Annäherung der südslawischen Brüder an die EU und das westliche Militärbündnis. Wegen Differenzen zum Kosovo-Status dürften sich Beitrittsverhandlungen mit der EU, die im Dezember begannen, über Jahre hinschleppen. Doch Moskau fürchtet, Belgrad könne einknicken.
Für mehr Irritation sorgt ein Flirt mit der NATO. Weil Kroatien in den USA operativ-taktische Raketen des Typs MGM-140 ATACMS orderte, will sich Serbien in Russland mit moderner Luftabwehr und MiG-29-Jägern eindecken. Doch kaum war der Deal im Januar unter Dach und Fach, legte sich Regierungschef Aleksandar Vučić für »bündnisähnliche Beziehungen« mit der nordatlantischen Allianz ins Zeug. Mitte Februar ratifizierte die Skupština, das Parlament in Belgrad, ein Abkommen, das NATO-Vertretern Freizügigkeit der Bewegung in Serbien und diplomatische Immunität garantiert.
Das Außenministerium in Moskau reagierte: Russland erwarte die Fortführung der 2007 von der Skupština beschlossenen Neutralitätspolitik. Russlands Botschafter Alexander Tschepurin verlangte diplomatischen Status für Mitarbeiter von Russlands humanitären Zentrum im südostserbischen Niš, das westliche Beobachter als Vorform einer russischen Militärbasis beargwöhnen.
Mit Rücksicht darauf verweigerte Belgrad die Unterzeichnung einer Vereinbarung bei Putins Besuch im Oktober 2014. Präsident Nikolić gab sich aber kompromissbereit. Doch das war vor den für Ende April anberaumten vorgezogenen Parlamentswahlen. Nun will es sich die regierende nationalkonservative Fortschrittspartei, der auch Nikolić angehört, weder mit dem eigenen eher moskaufreundlichen Anhang, noch mit dem prowestlichem Lager verderben.
Duma-Vizepräsident Sergei Schelesnjak von der Kremlpartei Einiges Russland unterstützt derweil offen zwei pro-russische Gruppierungen und ein von ihnen gefordertes Referendum über einen serbischen NATO-Beitritt am Wahltag. Serbien, konterte Regierungschef Vučić, strebe die Mitgliedschaft nicht an und habe auch keine Einladung zu Beitrittsverhandlungen erhalten.
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