Ein Historiker verkalkuliert sich

Wer macht in Berlin Politik gegen die griechischen Reparationsansprüche an Deutschland?

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein deutscher Historiker behauptet, Athen schulde Berlin nach der Nazibesatzung noch Geld, und durfte mit dieser steilen These im Finanzministerium auftreten. Dort rudert man nun zurück.

Das Finanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) ist sichtlich bemüht, fragwürdigen Thesen eines Referenten über Griechenland die Brisanz zu nehmen. Im vergangenen Monat hatten die Tageszeitung »Die Welt« und das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« über ein internes Seminar im Finanzministerium mit dem deutschen Historiker Heinz A. Richter berichtet. Der Griechenland-Experte habe darüber referiert, »ob Deutschland den Griechen noch Geld schuldet«, so der »Spiegel«.

Gemeint waren die Schulden aus der Besatzung Griechenlands durch die faschistische Wehrmacht in den Jahren 1941 bis 1944. Zitiert wurde dabei aus einem Aufsatz Richters, nach dem »Griechenland (…) seit Räumung des Landes Deutschland 3000 bis 4000 Goldpfund (schuldet)«. Diese Aussage war zugleich ein Frontalangriff auf den Historikerkollegen Hagen Fleischer, der die These eines Zwangskredits der Nazibesatzer in Höhe von 476 Millionen Reichsmark vertritt.

In »Welt« und »Spiegel« wurden dem Seminar und der These Richters breiter Raum eingeräumt, obwohl die Veranstaltung schon mehrere Monate zurücklag. Von einer Einladung der Beamten zum Vortrag von Richter war da die Rede und vom zentralen Thema der Schuldenlast, einer »gründlichen Untersuchung« und der Widerlegung der Zwangkredit-These Fleischers.

Auf Nachfrage äußert sich die Bundesregierung nun deutlich zurückhaltender. Richter sei für ein Honorar von 1000 Euro im Rahmen eines zweitägigen Treffens zu einem Impulsvortrag über die europäische Einigung und Griechenland eingeladen worden, heißt es auf eine Anfrage der stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE, Heike Hänsel. Richters Schuldenthese sei »weder Grund für die Einladung (…) noch Gegenstand der Diskussion gewesen«. Der Referent habe seine Meinung lediglich »kurz erwähnt«. Man werde das Thema daher auch nicht an die griechische Regierung herantragen.

Für Hänsel zeigen die Antworten der Bundesregierung, dass die Thesen Richters »nicht ernst genommen« würden. Aus dem Finanzministerium heiße es dazu höflich, sie würden nicht weiter geprüft, was in Ton und Inhalt auch den Berichten über das Seminar widerspreche. »Weshalb die Europaabteilung des Finanzministeriums aber einem Historiker mit solch fragwürdigen Thesen ein Podium bietet, erschließt sich mir nicht - zumal die Einladung von Herrn Richter mit einer Publikation aus dem Jahr 2012 begründet wird«, fügt Hänsel an.

Einladung und Weitergabe der internen Inhalte des Seminars an die Presse ließen vermuten, dass hier Politik gegen die legitimen Reparationsansprüche Griechenlands gemacht werden solle. Die vorsichtige Distanzierung zu der fragwürdigen Haltung Richters zeige, »dass man offenbar zur Erkenntnis gelangt ist, damit über das Ziel hinausgeschossen zu sein«.

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