Tod im Herzen Ankaras
Der jüngste Terroranschlag in der Türkei zielte auf die Zivilbevölkerung
Die Kette von Terroranschlägen in der Türkei reißt nicht ab. Im Januar tötete ein IS-Selbstmordattentäter 11 deutsche Touristen in Istanbul, im Februar wurden bei einem Selbstmordanschlag der »Freiheitsfalken Kurdistans« (TAK) 28 Menschen in Ankara getötet. Und kaum einen Monat später folgt der nächste Anschlag in Ankara, diesmal mit 37 Toten.
Der Anschlag am Sonntagabend traf Ankara in seinem Herzen. Der Kizilay-Platz, wo die Explosion war, lässt sich mit dem Taksim-Platz in Istanbul vergleichen. Es ist ein Verkehrsknotenpunkt und ein beliebter Treffpunkt für die Bevölkerung von Ankara. So lässt sich sagen, dass ein Anschlag an einer solchen Stelle explizit auf die Zivilbevölkerung zielt. Nach offiziellen Angaben wurden 37 Menschen getötet und 125 verletzt, wobei unabhängige Medien die Zahl der Verletzten höher angeben.
Anders als bei dem Attentat im Februar enthält sich die türkische Regierung einer raschen Täterzuschreibung. Damals erklärte die AKP-Regierung, dass angeblich die syrisch-kurdische YPG hinter dem Terror stecken würde - eine Darstellung, die recht schnell widerlegt wurde. Die kurdische Terrororganisation TAK bekannte sich zu der Tat und gab persönliche Details des Täters bekannt. DNA-Tests haben dann nachweisen können, dass die Darstellung der TAK richtig war und die Regierungserklärung nicht zutraf. Ähnlich ist dagegen die Nachrichtenpolitik der Regierung. Auch beim jetzigen Anschlag wurde sofort nach der Tat eine Nachrichtensperre deklariert, an die sich aber wieder viele Medien nicht gehalten haben. Gleichzeitig wurden die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter kurzzeitig gesperrt. Dieses Vorgehen erleichtert das Entstehen von Gerüchten und Verschwörungstheorien, weil unabhängige Berichterstattung und Faktenermittlung erschwert sind.
So hat die nebulöse Ankündigung der türkischen Regierung, die Täter seien ermittelt und würden bald bekannt gegeben, dazu geführt, dass in den regierungsnahen Medien über eine Täterschaft der kurdischen PKK spekuliert wird. Es kursiert bereits die Meldung, dass die Attentäterin schon gefunden wäre: Seher Çagla Demir, ein weibliches PKK-Mitglied aus der osttürkischen Stadt Kars. Für diese Meldung gibt es noch keine offizielle Bestätigung, auch kein Dementi.
Unabhängig von der Frage, ob diesmal wieder der Islamische Staat oder eine kurdische Terrororganisation hinter der Tat steckt, lässt sich eines mit Gewissheit sagen: Die türkische Verwicklung im syrischen Bürgerkrieg, einschließlich der Unterstützung für islamistische und dschihadistische Organisationen, und der Krieg in den kurdischen Gebieten der Türkei haben diese Kette von Terroranschlägen mit ausgelöst, die bereits Hunderte Menschenleben gekostet haben.
Die Sicherheitsbehörden sind nicht in der Lage, diese Anschläge zu verhindern. Ebenso sind keine Anzeichen dafür vorhanden, dass die Regierung in Ankara ihren bisherigen Kurs, der zur Eskalation der politischen und militärischen Lage beigetragen hat, überdenken und davon abrücken wird. So ist leider davon auszugehen, dass solche Anschläge auch in den nächsten Wochen und Monat sehr wahrscheinlich sind.
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