Grün-Schwarz ist möglich

Winfried Kretschmann muss einen neuen Partner finden

  • Gesa von Leesen, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Grünen haben einen historischen Wahlsieg in Baden-Württemberg errungen. Aber ihre bisherige Regierung ist abgewählt.

Diese Regierungsbildung wird schwierig. Zwar haben in Baden-Württemberg die Grünen mit ihrem Spitzenkandidaten und Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann einen historischen Sieg errungen und erstmals in der Geschichte des Landes die CDU auf den zweiten Platz verwiesen. Aber die Grünen haben ihren Wunschkoalitionspartner SPD verloren. Die Sozialdemokraten wurden auf 12,7 Prozent nahezu halbiert. Noch vor der SPD liegt die AfD, die aus dem Stand auf 15,1 Prozent kam. Die FDP konnte sich in ihrem Stammland auf 8,3 Prozent verbessern und die LINKE hat es auch mit Spitzenmann, Parteichef Bernd Riexinger, wieder nicht in den Landtag geschafft. Sie dümpelt bei 2,9 Prozent.

Mit 30,3 Prozent beansprucht Kretschmann, nun die Regierung zu bilden. Doch mit wem? Er rede mit allen demokratischen Parteien, erklärte der 67-Jährige am Wahlabend. Eine Ampel mit SPD und FDP lehnt FDP-Spitzenmann Hans-Ulrich Rülke allerdings klar ab. Er spekuliert auf ein Bündnis aus CDU, SPD und den Liberalen, neuerdings Deutschlandkoalition genannt. Das will auch Guido Wolf. Der Spitzenkandidat der CDU, der seiner Partei mit 27 Prozent das schlechteste Ergebnis überhaupt beschert hat, gibt sich kampfeslustig. Nur zweitstärkste Kraft - na und! So hätten die Grünen es vor fünf Jahren doch auch gemacht. Vor der Wahl hatte Wolf mehrmals erklärt, er sei nicht bereit, unter den Grünen den Juniorpartner zu geben. Am Wahlabend wiederholt er in jedem Interview: »Grün-Rot ist abgewählt.« Unter den CDU-Anhängern ist die Meinung geteilt. Vor allem altgediente Abgeordnete stehen auf Seiten Wolfs. Besser mitregieren, als gar nicht dabei sein, meinen andere.

Käme es zu Gesprächen zwischen Grün und Schwarz, müsste wohl ein anderer als Guido Wolf verhandeln: Thomas Strobl, CDU-Landeschef und Bundestagsabgeordneter, stünde bereit. Zwar spricht auch er vom »Politikwechsel« und davon, dass die CDU den Regierungschef stellen wolle, aber irgendwann muss sich jemand bewegen. Sollte Berlin, sprich Parteichefin Angela Merkel, diese für die Republik neue Konstellation wollen, wird Strobl sich kaum entziehen können. Ob das passiert, wird sich am Dienstag zeigen, wenn die CDU-Fraktion ihren Chef wählt. Klar ist: Mit dem wertkonservativen, pragmatischen Kretschmann ist Grün-Schwarz denkbar.

Eine Personaldebatte steht auch bei der SPD an. Nils Schmid, bislang Vize-Ministerpräsident und Finanzminister, gilt als fleißig und extrem spröde. Er wird seine Stellung verteidigen müssen. Während der Wahlperiode und im Wahlkampf ist es ihm nicht gelungen, die SPD zu profilieren. Wieder einmal zeigt sich, dass die Sozialdemokraten als kleinerer Partner in Koalitionen abstürzen. Das wird ihre aktuelle Koalitionsbereitschaft sicherlich beeinflussen.

Die AfD stellt sich auf ihre Oppositionsrolle ein. Nach einer Landesvorstandssitzung der Grünen am Montag erklärte Kretschmann: »Wir müssen alles dafür tun, dass sich die Rechtspopulisten nicht in die Mitte der Gesellschaft vorarbeiten und dass sie wieder an Zustimmung verlieren.« Um das zu erreichen, sei es wichtig, eine stabile Regierung zu bilden. Konstituierende Sitzung des Landtags ist am 11. Mai, am Tag darauf soll der Ministerpräsident gewählt werden. Kommentar S. 8

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