Minderheitenpolitik nicht verstanden

Gerd-Rüdiger Hoffmann über die Weigerung Senftenbergs, zum sorbischen Siedlungsgebiet zu gehören

  • Lesedauer: 3 Min.

Senftenberg (sorbisch: Zły Komorow) erfüllt die Kriterien, um dem angestammten sorbischen Siedlungsgebiet in der Lausitz zugerechnet zu werden. Dennoch haben es die Stadtverordneten in der vergangenen Woche mehrheitlich abgelehnt, die Aufnahme ins Siedlungsgebiet zu beantragen, was beispielsweise zweisprachige Orts- und Straßenschilder zur Folge gehabt hätte.

Das brandenburgische Sorben/Wenden-Gesetz legt fest, dass Gemeinden, die bisher nicht als Bestandteil des sorbischen Siedlungsgebietes aufgelistet sind, nach Prüfung eines entsprechenden Antrages bis Mai 2016 aufgenommen werden können. Den Antrag können die Gemeinden selbst, der Sorbenrat des Landtags oder beide gemeinsam stellen. Die Entscheidung trifft das Kulturministerium.

Bedingung ist eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle Tradition bis zur Gegenwart. Für Senftenberg ist dies nachweisbar. Deswegen war eigentlich damit zu rechnen, dass der Vorstoß von vier Stadtverordneten auch aus CDU, LINKE und SPD im Stadtparlament beschlossen wird. Es kam aber anders. Bei zwei Enthaltungen stimmten 14 Stadtverordnete dafür und 14 dagegen. Die erforderliche Mehrheit wurde damit verfehlt. Anwesenden Sorben wurde ein Rederecht verweigert. Der Stadtparlamentsvorsitzende Reiner Rademann (SPD) sagte, er habe sich in der Stadt umgehört und nur eine Person gefunden, die der Meinung war, das könne man so machen mit dem Siedlungsgebiet. Es gebe doch wohl andere Probleme, meinte Rademann. Seine Sichtweise ist ein Musterbeispiel für die Probleme, die im Umgang mit der relativ fortschrittlichen Minderheitenpolitik des Landes Brandenburg immer wieder zutage treten. Zuerst ist das Unkenntnis der Gesetzeslage. So ist im Stadtparlament zum Beispiel die Rede davon gewesen, dass doch die Domowina den Antrag stellen solle. Im Gesetz ist das aber nicht vorgesehen. Die Unkenntnis internationaler Vereinbarungen zum Schutz der Minderheiten wird nicht einmal als Defizit empfunden. Weiterhin ist erschreckend, wie die Bemühungen zur Belebung der sorbischen Kultur in der Stadt ignoriert werden. Dabei spricht allein die Anzahl der Aktivitäten für sich. Vom Niedersorbisch-Unterricht an einer Oberschule reicht das bis zu gut besuchten Sprachkursen, Lesungen, Konzerten, Ausstellungen, Vorträgen und zum zweisprachigen Gottesdienst in der Wendischen Kirche.

Schließlich wird der tiefe Sinn der Minderheitenpolitik nicht verstanden: Es ist quasi die Krone der Demokratie, wenn gegenüber Interessen von Minderheiten sehr bewusst vorgesehen ist, dass eine Mehrheit nicht die Macht der größeren Zahl in Anschlag bringen sollte. Hier liegt der rationale Kern der »Bauchschmerzen« von Bürgermeister Andreas Fredrich (SPD), wenn er es als bedenklich ansieht, dass eine Mehrheit über eine Minderheit befinden soll. Inzwischen, so scheint es, geht auch Fredrich davon aus, dass die Stadt die Kriterien für die Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet erfüllt. Mehrere Stadtverordnete betonten, dass sie das trotz ihrer Nein-Stimme anerkennen.

Insgesamt war es jedoch beschämend, wie wenig gerade diese Bemühungen Anerkennung fanden. Linksfraktionschef Wolf-Peter Hannig betonte völlig zu Recht, dass eine intensive Förderung des Sorbischen allein schon aus moralischen Gründen auf der Tagesordnung stünde, weil in der Vergangenheit durch politische Systeme und den Braunkohlebergbau diese Kultur regelrecht überrollt wurde.

Für die anwesenden Sorben waren solche Reden ermutigend, aber insgesamt war es deprimierend, wieder einmal Objekt der Begutachtung durch teilweise inkompetente Lokalpolitiker zu sein, ohne die Möglichkeit einer Erwiderung zu haben. Förderung und Ermutigung oder wenigstens Neugierde oder auch bloß die Überlegung, dass sich sorbische Kultur touristisch vermarkten ließe, kamen nicht zum Tragen. Man kann nur hoffen, dass sich die Sorben der Stadt jetzt nicht entmutigt zurückziehen.

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