Tanztriumph aus Kuba
Choreografischer Chic und athletische Bravour im Admiralspalast: »Ballet Revolución«
Noch schlucken ein Gazevorhang und dicker Nebel einen Teil des Tanzes. Solopaare eilen durch die milchige Atmosphäre, in der die Glitzerkleider der Frauen aufblitzen, besonders wenn ihre Partner sie hoch in die Luft stemmen. Dazu spielt noch tief im Hinten die vibrierende Live-Band den kubanischen Hitklassiker »Chan Chan« um einen jungen Mann, der weit über Land fährt, um irgendwo seine Angebetete zu finden.
»Ballet Revolución« ist in der Stadt, die Truppe mit dem rotgerandeten Stern überm i im Namen. Seit fünf Jahren erst existiert diese Show und hat sich bereits international zu einem unverwechselbaren Markenzeichen entwickelt. Wieder ist der ausverkaufte Admiralspalast Ort zur Zelebration der Fans, die die Compagnie mittlerweile auch in Berlin besitzt. Diesmal präsentiert sie ein teils neues Programm, mit Choreografien zu Chartssongs auch von Rihanna, Pitbull, Usher, David Guetta. Wie man mit 17 energiestrotzenden Frauen und hochathletischen Männern ein Feuerwerk des Tanzes zünden kann, beweist »Ballet Revolución« in zu Teilen neuer Besetzung bravourös.
Alle verfügen sie über eine gediegene Ausbildung, ob in der formstrengen Escuela Nacional de Ballet oder der stilistisch breiter aufgestellten Escuela Nacional de Arte. Wer je dort hospitieren durfte, weiß, dass die kubanische Tanzausbildung eine der besten, zugleich jedoch eine der härtesten der Welt ist. Wer sie durchsteht, ist fit für die großen Compagnien des Globus, tanzt auf der eigenen ballettversessenen Insel - oder schließt sich »Ballet Revolución« an.
Revolutioniert hat diese Truppe auf kontinentalen Tourneen wahrlich die Sehgewohnheiten ihrer Zuschauer, und das in mehrerlei Hinsicht. Wenn es in Europa nach wie vor Gräben zwischen klassischem und modernem Tanz gibt: Für Kubas Tänzer ist das ein eher unverständliches Problem. Die zwei Dutzend Choreografien des gut zweistündigen Abends stellen Tanz auf Spitze und in Jazztanzschuhen in einer solchen Selbstverständlichkeit nebeneinander, dass man keine Sekunde lang über die Sinnfälligkeit nachdenkt. Die Tänzer tun dazu ein Übriges, indem sie sichtbar mühelos von einem Stil zum anderen wechseln: Beide stecken untrennbar in ihren meist afrokubanischen Körpern, beide bringen sie die Seelen und die wohlgefällig muskelbewehrte Physis zum Beben. Es ist jener Mix aus indigenen Wurzeln, afrikanischer Zutat und hispanischer Hinterlassenschaft, der »Ballet Revolución« singulär explosiv im Tanzkomsos macht.
Als die Gaze den Blick freigibt, formieren sich die Tänzer zu mehreren Mambo-Bildern, die etwas lang geraten. Farbiges Licht und Streuscheinwerfer sorgen für optische Effekte, die Kostüme von Stardesigner Jorge Gonzalez sind ausgemachte Hingucker in Schnitt, Knappheit und Farbauswahl. Besonders Schwarz lässt die braunhäutigen Jungs sexy ausschauen. Für sie hat sich der daheim TV-erfahrene Choreograf Roclan Gonzalez Chavez im eher machobetonten Kuba ein mutiges Bild einfallen lassen: »Royals« von Lorde bietet auch Raum für ein dezentes wie dramatisches Männerduett, eine von Roclans besten Neuschöpfungen. Dass er später Ähnliches auch in Feminin beisteuert, sorgt für die rechte Balance.
Bis dahin bewundert man ein ums andere Mal die Virtuosität der Tänzer und der kaum weniger gewandten Frauen. Rasante Sprünge von enormer Höhe, kaum überbietbare Wirbler, stilsichere klassische Elemente und unnachahmliche Lockerheit im Mittelkörper werden durchwürzt mit akrobatischen Salti und Überschlägen. Selbst in den Synchronpassagen darf jeder seinen eigenen körperlichen Ausdruck einbringen, was den Formationen jegliche Uniformität nimmt. »Single Ladies« von Beyoncé wird zum Spiel mit bunten Schirmen nebst dem männlichen Zitat der Vier Kleinen Schwäne, Stings »Roxanne« gibt drei Paaren den Rahmen für Liebe.
Kompakter gerät der Teil nach der Pause: mit einem Tango-Bild, zwei artistischen Paarminiaturen zum »Concierto de Aranjuez«, einer Hommage an Michael Jacksons Tanzstil, HipHop-Figuren - alles licht, leuchtend, freudig, lebensprall, voll Dauerpower. Ballet Revolución: ein Triumph kubanischen Tanzes, der am Ende keinen mehr auf dem Stuhl hält.
Bis zum 20. März im Admiralspalast, Friedrichstr. 101, Mitte
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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