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Der falsche Weg
Dominic Musa Schmitz über seinen Ausstieg
Wer in diesen Tagen die Seite des Internetvideokanals YouTube besucht und nach den üblicherweise kruden Islam-Plattformen sucht, erlebt sein blaues Wunder. Ein Buch hat die Szene in Bewegung, besser gesagt die Suchalgorithmen von YouTube aufgemischt. Dominic Musa Schmitz’ Autobiografie provoziert mannigfaltige Stellungnahmen, Kommentare von Muslimen und Nicht-Muslimen sowie muslimischen Vereinigungen.
»Ich war ein Salafist« ist eine beeindruckend ehrliche Lebensbilanz eines jungen Menschen, der im 17. Lebensjahr in der Islamistenszene eine Heimat fand und sich die Verbreitung des Islam auf die Fahne schrieb. Die gescheiterte Ehe seiner Eltern, Einsamkeit und zu viel Haschisch hatten eine Leere in ihm erzeugt, die ein Freund bemerkte, der ihn mit dem Islam bekannt machte. Schmitz lebte in Mönchengladbach, einer von deutschen Konvertiten geprägten Hochburg des Salafismus. Er beschreibt seine religiöse Prägung auch als ein Ergebnis der Abgrenzung von den Anhängern des traditionellen Islams in seiner Moschee. Diese Schilderung wie auch die seiner Pilgerfahrten nach Mekka sind höchst interessant.
Im selbst erklärten Hort der einzig wahren Interpretation des Islam, der saudi-arabischen Spielart, fallen die deutschen Konvertiten als altklug und arrogant auf. Doch Schmitz’ Talent im Umgang mit den neuen Medien machen ihn bald unverzichtbar in der Salafistenszene, die sich auch in Mönchengladbach keineswegs nur aus Deutschen mit den Vornamen Dominic, Pierre oder Jens rekrutiert. Da gibt es beispielsweise auch den jungen Kurden Mohammed. Unkenntnis des von Millionen Muslimen gelebten Islam ließ die Pierre-Vogel-Fraktion zu einer Speerspitze der Radikalisierung werden, von der sich sogar extremistische Prediger in Saudi-Arabien, der Türkei und Syrien absetzen.
Der brutale Umgang seiner Vorbilder mit fragenden Neumitgliedern, vor allem aber deren Haltung zu Frauen erschüttern Schmitz’ Weltbild allmählich. Er wagt und schafft den Ausstieg. Heute, nach zehn Jahren, ist er immer noch gläubiger Muslim, aber Teil der seit über vier Jahrzehnten zur deutschen Gesellschaft gehörenden Lebens- und Glaubensgemeinschaft.
Mag sein, dass der spektakuläre Untertitel sein Buch auf die Empfehlungslisten deutscher Marktschreier brachte. Wer es sich aus diesem Grunde kauft, wird enttäuscht. Dieses Buch bietet keine Schwarz-Weiß-Raster, taugt nicht für die Bestärkung von Feinbildern, denn es bietet hierfür zu viele Zwischentöne. Es klagt aber eine Denkweise an, die Tod bedeutet.
Dominic Musa Schmitz: Ich war ein Salafist. Meine Zeit in der islamistischen Parallelwelt. Econ. 256 S., br., 18 €.
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