Widerstand gegen den Wunschkandidaten
Nach dem Willen Obamas soll der moderate Merrick Garland neuer Oberster Richter in den USA werden
Barack Obama wollte im Rosengarten des Weißen Hauses gar nicht mehr aufhören mit dem Lob. »Merrick Garland ist bekannt für seinen Anstand, seine Bescheidenheit und seine Integrität«, sagte der Präsident. Die Treue zur US-Verfassung habe seinen gesamten beruflichen Weg geprägt, ein fairer Richter sei er, mit dem Talent, streitende Parteien zusammenzubringen. Einer der klügsten juristischen Köpfe des Landes eben. Kein Wunder, dass der 63-Jährige Obamas Wunschkandidat für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten ist. Dort ist nach dem Tod des langjährigen Richters Antonin Scalia im Februar eine Stelle vakant. Und der scheidende Präsident nutzt seine in der Verfassung verankerte Vorschlagspflicht für einen Nachfolger, der zwar als liberal, aber auch als Kompromisskandidat gilt. Denn das letzte Wort hat der Senat, der zur Zeit von den Republikanern beherrscht wird.
Obwohl der bisherige Berufungsrichter durchaus in beiden politischen Lagern Ansehen genießt, haben die Republikaner schon Widerstand angekündigt. Während Obama den Senat aufforderte, nun seiner Verpflichtung nachzukommen, Garland anzuhören und zeitnah abzustimmen, weil sonst ein Präzedenzfall drohe, der Demokratie und Justizsystem in den USA beschädigen werde, lehnt der konservative Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, eine Nominierung im Wahljahr strikt ab. In der Hoffnung auf einen Machtwechsel im Weißen Haus nach den Präsidentschaftswahlen im November wollen die Republikaner natürlich lieber selbst das höchstrichterliche Amt besetzen. Denn die Verfassungsrichter werden auf Lebenszeit gewählt und können damit weit über die Amtszeit des vorschlagenden Präsidenten hinauswirken. So stehen in den nächsten Monaten unter anderem Urteile zu den Themen Klimaschutz, Abtreibung, Schwangerschaftsverhütung und Einwanderung an. Scalia, noch ein Mann Ronald Reagans, hatte sich als Rechtsaußen in dem neunköpfigen Gremium profiliert.
Garland bezeichnete die Nominierung für den Supreme Court als »größte Ehre seines Lebens«. Seine jüdischen Vorfahren waren einst aus Russland eingewandert; nach einem Studium mit Bestnoten in Harvard machte er Karriere in einer renommierten Hauptstadt-Kanzlei, um dann in die Staatsanwaltschaft zu wechseln. Derzeit ist er Vorsitzender Richter des Berufungsgerichts für den Hauptstadtbezirk Columbia, das in der juristischen Hierarchie eine Stufe unter dem Verfassungsgericht angesiedelt ist. Vor 19 Jahren votierte eine Mehrheit aus Demokraten und Republikanern für den moderaten Kandidaten des damaligen Präsidenten Bill Clinton, darunter auch sieben heutige republikanische Senatoren.
Bekannt wurde der zweifache Vater vor allem als einer der ranghöchsten Strafverfolger im Washingtoner Justizministerium bei der Aufklärung des rechtsextremen Terroranschlages von Oklahoma City, bei dem im Jahr 1995 über 160 Menschen ums Leben kamen. Aber auch in Obamas eigenen Reihen sind nicht alle begeistert über seine Auswahl. Diverse Basisgruppen der Demokratischen Partei zeigten sich schon enttäuscht über die Nominierung Merrick Garlands - er ist ihnen nicht links genug.
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