Der Mörder liegt im Detail
Kriminalstatistik vermerkt insgesamt weniger Straftaten, aber zum Beispiel mehr Einbrüche
In Brandenburg hat die Zahl der angezeigten Straftaten abgenommen, die der erfassten Wohnungseinbrüche hingegen ist angestiegen. Bei der Präsentation der Kriminalitätsbilanz 2015 gab es am Montag in Potsdam einen Einblick ins Zauberreich der Statistik.
Zwischen 2014 und 2015 ist laut Kriminalitätsstatistik die Zahl der erfassten Straftaten im Bundesland um vier Prozent auf 188 300 Delikte zurückgegangen, teilte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) mit. Dabei gebe es zweifellos Licht und Schatten, doch die insgesamt positive Entwicklung sei unter anderem auf Prävention und die vertiefte Zusammenarbeit mit der polnischen Polizei zurückzuführen.
- Die Kriminalitätsbelastung sank in Brandenburg im Jahr 2015 rechnerisch von 8004 auf 7660 Straftaten je 100 00 Einwohner.
- Die Aufklärungsrate blieb mit 52,4 Prozent nahezu gleich. Im Jahr 2014 betrug sie 52,5 Prozent.
- Die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen sank um 1,3 Prozent auf 66 479.
- Die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen stieg ein Fünftel auf 12.727.
- 79.368 Diebstähle wurden 2014 angezeigt. Das waren 6,3 Prozent weniger als im Jahr 2014.
- Die Polizei zählte 4436 Wohnungseinbrüche – 11,2 Prozent mehr als 2014.
- Rauschgiftdelikte nehmen weiterhin zu, um 14,2 Prozent auf 8188. winei
Nachdem vor einigen Jahren die Kriminalitätsstatistik als frisiert in Verruf geraten war, sagte der Minister nun, dass er »aus tiefster innerer Überzeugung eine ehrliche Statistik« vorlege, die »nicht angreifbar« sei und den Kriterien im Bundesmaßstab entspreche.
Allerdings wurde danach deutlich, dass es neue Schwierigkeiten gibt, so dass Schröters Pressesprecher Ingo Decker einzelne Angaben der aktuellen Polizeistatistik »missverständlich« nennen musste und eine Ergänzung versprach. Deutlich wurde das Problem bei der Angabe, es sei nunmehr die Zahl der Mordstraftaten um 10 auf 27 und die Zahl der Totschlagsdelikte um 8 auf 40 gestiegen. Auf die Nachfrage, wie sich eine solche bestürzende Entwicklung mit der Überschrift »Leichter Rückgang der Gewaltkriminalität« vertrage, hieß es zur Erklärung, dass abgeschlossene Tötungsverfahren aus früheren Jahren hier mit in die Statistik einflossen, dass deswegen nicht die Entwicklung des Jahres 2015 wiedergegeben sei.
Die Angabe von Schröter, man erreiche bei Mord und Totschlag mit 100 Prozent die höchstmögliche Aufklärungsquote bedurfte später der Ergänzung, dass dieses Bild unter anderem dadurch entstehe, dass erst die abgeschlossenen Fälle aus zum Teil weit zurückliegenden Jahren in die Bilanz eingegangen seien. Es könne also sein, dass keineswegs alle Morde des Vorjahres aufgeklärt worden seien. Es könne sogar vorkommen, dass durch statistische Effekte die Aufklärungsrate über 100 Prozent liegt.
Mit seiner Kriminalitätsbelastung liege Brandenburg im Vergleich der Flächenländer »immer noch zu hoch«, urteilte Schröter. Zudem sei es der Polizei nicht gelungen, trotz sinkender Fallzahlen die Aufklärungsquote zu steigern, die für alle 188 300 Delikte bei etwas über 52 Prozent liegt. Ein Grund dafür könne »die hohe Belastung der Beamten infolge der Asylkrise sein«, meinte Schröter. Einen anderen Erklärungsversuch für statistische Effekte bot Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke an, als er darauf hinwies, dass Diebstähle von Baustellen und aus Firmen nicht immer bei der Polizei angezeigt werden. Wenn das Raubgut versichert war, gebe es eine Anzeigerate von über 70 Prozent, wenn nicht, von unter 30 Prozent. Mörkes appellierte, alle Straftaten anzuzeigen. »Nur dann kann sich die Polizei ein genaues Bild von der Lage machen.«
Der Zuwachs von 445 Wohnungseinbrüchen binnen eines Jahres mache ihm zu schaffen, bekannte der Minister. Er erzählte von einem Jungen, der sich aus Angst vor einem nächtlichen Einbruch nicht mehr getraue, allein in seinem Zimmer zu schlafen. Allerdings sind Einbrecher immer öfter tagsüber auf Raubzug, ist der Polizeistatistik zu entnehmen.
Nach wie vor ist die Kriminalitätsbelastung entlang der polnischen Grenze und im Berliner Umland höher als anderswo. Die deutliche Zunahme bei den ermittelten Rauschgiftdelikten führte der Polizeipräsident auf einen erhöhten Kontrolldruck durch die Beamten zurück. Die neue Regierung in Polen habe in den Wojewodschaften die Polizeiführer ausgetauscht, doch gebe es keine Anzeichen, dass die neuen Chefs geringeres Interesse an der Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen hätten, sagte Mörke. Noch im April werde er sich das erste Mal mit den neuen polnischen Polizeiführern treffen.
»Viel zu lange haben SPD und LINKE die wachsende Zahl der Drogenabhängigen ignoriert«, bemängelte der Landtagsabgeordnete Raik Nowka (CDU). Sein Fraktionskollege Björn Lakenmacher meinte: »Die nach der missratenen Polizeireform verbliebene, allzu dünne Personaldecke ist schlicht nicht ausreichend, um die gestiegenen Aufgaben und Herausforderungen zu bewältigen.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.