Konzert für Bleiglasfenster
Musikschulen treten bei 73 Terminen in märkischen Kirchen auf
Auch in diesem Jahr werden sich Brandenburgs Musikschulen wieder als Türöffner für Kirchen betätigen. Die nunmehr 10. Konzertreihe dieser Art wird am 2. April durch die Junge Philharmonie Brandenburg in der Jakobikirche Luckenwalde eröffnet.
Die 73 diesjährigen Konzerte nannte Kulturministerin Martina Münch (SPD) ein »beeindruckendes Gemeinschaftsprojekt«, und sie bezog sich bei dieser Formulierung auf die Zusammenarbeit des Musikschulverbandes mit dem Förderkreis Alte Kirchen. Förderkreis-Geschäftsführer Bernd Janowski sagte, für viele Kinder sei eines der Konzerte die erste Gelegenheit, eine Kirche von innen zu sehen. Janowski sprach von einem »religiösen Analphabetismus«, der in großen Teilen der jungen Generation herrsche, was auch deshalb bedauerlich sei, weil viele Kunstwerke ohne Grundkenntnisse in der christlichen Religion schlicht unverständlich sein müssten.
Auf die Frage, warum die Unkenntnis so verbreitet sei, wo doch immer mehr märkische Grundschüler am Religionsunterricht teilnehmen, sagte Janowski, die beschriebene Entwicklung sei kaum aufzuhalten, wenn es eine Abwendung vom Glauben nun schon in der dritten Generation gebe. Auch die Eltern und Großeltern hätten kaum noch Zugang zu geistlichen Dingen.
Kulturministerin Münch, sie war bis 2014 Bildungsministerin, ergänzte, Religionsunterricht in Brandenburg sei fakultativ, das reguläre Hauptfach heiße »Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde (LER)«. Sie beobachte jedoch, dass sich auch wieder mehr ältere Menschen dem Glauben zuwenden und taufen lassen. Allerdings werde man wohl niemals wieder die geistige Hegemonie christlicher Vorstellungen erleben wie etwa im Mittelalter.
Beim Eröffnungskonzert der diesjährigen Reihe »Musikschulen öffnen Kirchen« - die Einnahmen kommen der Erneuerung von Bleiglasfenstern zugute - wird die Junge Philharmonie unter anderem die Ouvertüre der Strauss-Operette »Die Fledermaus« zum Vortrag bringen. Es sei also durchaus nicht nur Kirchenmusik, die bei diesen Konzerten erklinge, sagte der Geschäftsführer des Verbandes der Musik- und Kunstschulen Brandenburgs Thomas Falk. Lerninhalt der Musikschulen sei zu 80 Prozent Klassik, die Auftritte der Ensembles in der Öffentlichkeit bilden das aber nicht unbedingt ab. »Nach außen sind wir eher populär.« Junge Leute seien heutzutage weniger durch das Absingen deutscher Volkslieder für das Musizieren zu begeistern, erklärte Falk das Phänomen, dass Schulchöre heutzutage auf die deutsche Sprache in ihren Programmen durchgängig zu verzichten scheinen.
Indessen bleibt die Finanzierung der Musik- und Kunstschulen prekär. »Das Sponsoring ist sehr übersichtlich«, bedauerte Falk und ergänzte, dass sich hier die Hoffnungen aller immer nur auf die Sparkassen richten. Wenn man eine private Unterstützung für Konzertreisen finde, so sei das schon viel. Das Land könne ja nur durch Volksinitiativen zur Erhöhung seines Anteils bewogen werden, sagte er mit einem Seitenblick auf die Ministerin. Diese konterte, es gebe jetzt vom Land Brandenburg beachtliche 2,6 Millionen Euro für die Musikschulen und 400 000 Euro für die Kunstschulen. Falk unterstrich den volkstümlichen Charakter der 42 Musik- beziehungsweise Kunstschulen im Bundesland mit ihren rund 36 000 Eleven.
Das lustlose siebenjährige Kind, das von seinen Eltern am Klavier getrimmt werde, um später die Karrierechancen zu verbessern, sei durchaus untauglich zur Abbildung. Minderungstatbestände für die Elternbeiträge - sie decken zwischen 35 und 45 Prozent der Gesamtkosten - seien zahlreich, und übrigens werden die Musikschulgebühren laut Falk ohnehin desto geringer, je weiter man sich vom Berliner Speckgürtel entferne.
Es gibt in Brandenburg rund 1400 Dorfkirchen, erklärte Janowski, hinzu kommen noch einmal etwa 250 Stadtkirchen. Viele sind renoviert und restauriert, andere zumindest so gesichert, dass der unmittelbare Einsturz nicht droht. Die offiziell aufgegebenen Gotteshäuser könne man glücklicherweise an zwei Händen abzählen, doch werde die Überalterung der Gesellschaft auch hier ihre Spuren hinterlassen. Die Kirchen werden unterschiedlich »bespielt«, formulierte der Geschäftsführer, neben rege genutzten Gotteshäusern gebe es auch solche, die dreimal im Jahr, also nur noch zu den hohen kirchlichen Feiertagen öffnen. In vielen Dorfkirchen finde nur alle vier bis sechs Wochen noch ein Gottesdienst statt, und die Besuchszahlen dabei seien ebenfalls »nicht berauschend«. Es sei zu vermuten, dass in Zukunft die Zahl der aufgegebenen Kirchen größer werde.
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