Wandern in der Garnisonsstadt
Frühjahrstour der nd-Leser in Strausberg, wo 1714 erste Soldaten stationiert worden sind
Strausberg ist seit mehr als 300 Jahren Garnison. Das Militär ist in der Stadt präsent, seit 1714 eine Kompanie des 23. preußischen Infanterieregiments hier stationiert wurde. Im Laufe der Jahre kamen Grenadiere, Feldartilleristen, Musketiere, Gardehusaren, Füsiliere, in der Nazizeit Jagdflieger, in der DDR Kasernierte Volkspolizisten als Vorläufer der Nationalen Volksarmee (NVA). Und schließlich saß in Strausberg das Ministerium für Nationale Verteidigung. Die Bundeswehr ist jetzt mit 17 verschiedenen Dienststellen vor Ort. Die bedeutendste ist das Kommando Heer mit dem Inspekteur an der Spitze.
Für die LINKE als selbsterklärte Friedenspartei ist der Umgang mit der Bundeswehr heikel, zumal in Strausberg immer noch alte NVA-Offiziere oder zumindest ihre Witwen wohnen und teils Parteimitglieder sind. Friedenspartei und NVA-Vergangenheit sind für diese Menschen kein Widerspruch, da es sich bei der NVA um eine Armee handelte, die nie Krieg führte.
Das Strausberger Friedensfest ist seit den 1990er Jahren der wichtigste wiederkehrende Termin im Kalender der Kreisparteiorganisation. Schon seit längerer Zeit findet das Fest auf dem Alten Gutshof an der Prötzeler Chaussee 7 statt - also genau dort, wo am 17. April die nd-Frühjahrswanderung endet. Gestartet wird von 8 bis 11 Uhr am S-Bahnhof Strausberg-Stadt. Zwei 15 und 9 Kilometer lange Strecken stehen zur Auswahl. Für die An- und Abreise mit der S-Bahn ist zu beachten, dass es zwischen Fredersdorf und Hoppegarten Schienenersatzverkehr gibt, was die Fahrzeit von Berlin-Ostkreuz um 20 Minuten erhöht.
Mit 1532 Militärs und 1295 zivilen Dienstposten ist die Bundeswehr größter Arbeitgeber in Strausberg und auch größter Auftraggeber. Seit 1991 investierte die Wehrbereichsverwaltung Ost fast 200 Millionen Euro in die Infrastruktur am Standort, schwärmt die Stadtverwaltung. »Wo die Bundeswehr Brötchen kauft und Militärfahrzeuge warten lässt, erhält sie Arbeitsplätze. Wo sie ausbildet und mit Ausbildungsbetrieben kooperiert, bietet sie jungen Menschen eine Zukunft«, heißt es.
Der Stadtverordnete Bernd Sachse (LINKE), selbst ehemaliger NVA-Kampftruppenkommandant, räumt die wirtschaftliche Bedeutung der Bundeswehr durchaus ein. Er warnt aber: »Man darf die Stadt nicht auf das Militär reduzieren.«
In diese Richtung zielte jüngst ein Vorstoß der Linksfraktion, den traditionellen Jahresempfang der Bürgermeisterin Elke Stadeler (parteilos) von der Bundeswehr zu lösen. Denn seit der Club am See verkauft wurde, verfügt die Stadt nicht mehr über einen Saal, der bis zu 500 Gäste fasst. Deshalb wich der Empfang in eine Immobilie der Bundeswehr aus. Nach Ansicht von Sachse und Genossen sollte es lieber einen Empfang unter freiem Himmel geben, vielleicht auf dem Marktplatz, selbst wenn dann die Gefahr besteht, dass das Wetter nicht mitspielt.
Im Stadtparlament, wo die LINKE mit 13 Stadtverordneten die stärkste Fraktion ist, aber nicht die bestimmende, ließ sich die Vorlage nicht durchsetzen. Von den Bürgern habe es aber viele positive Reaktionen gegeben, erzählt Sachse. Bei der Diskussion in den Ausschüssen habe das Stichwort Bundeswehr eine überragende Rolle gespielt. Dabei hatte die LINKE das Kunststück fertiggebracht, den Begriff Bundeswehr in ihrem Antrag zu vermeiden.
Nicht verstehen kann Sachse, wie der Bundeswehr im Streit um den Jahresempfang das Verdienst angedichtet wurde, sie habe für den langersehnten 20-Minuten-Takt der Berliner S-Bahn nach Strausberg-Nord gesorgt. Habe man etwa die Unterschriftensammlungen vergessen, die Initiativen von Kreistags-, Landtags- und Bundestagsabgeordneten und schließlich die Bemühungen auch der Bürgermeisterin? Außerdem bestelle und bezuschusse das Land Brandenburg die zusätzlichen Züge und nicht die Bundeswehr.
Sachse erinnerte in diesem Zusammenhang an die Panik angesichts der Bundeswehrstrukturreform, als es so zwischenzeitlich so aussah, als würde Strausberg Dienstposten verlieren. Am Ende sind unter dem Strich sogar mehr Dienstposten herausgesprungen. Aber das müsse für die Zukunft nichts bedeuten, erklärte Sachse. Wenn die Bundeswehr morgen den Befehl bekomme, aus Strausberg wegzugehen, dann werde sie es ohne Tränen tun. »Befehle kennen keine Emotionen. Hier habe ich auch eigene Erfahrungen«, sagte Sachse der Bürgermeisterin.
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