Heilsame Filme
Freitags Wochentipp: »Die Täter - Heute ist nicht alle Tage«, Auftakt einer Trilogie über den NSU
Es ist gerade schwer auszumachen, worüber man sich mehr wundern soll: darüber, dass Anschläge wie in Brüssel Normalität werden - oder darüber, dass wir sie auch so empfinden. Verglichen mit der Reaktion auf den islamistischen Gewaltexzess von Paris jedenfalls kehrte selbst auf dem Boulevard rasch Ruhe ein, und auch die Nachrichten wirkten eher routiniert als ergriffen. Noch immer gibt der Turbo-Journalismus zwar ohne Vorglühen eine Weile Vollgas, aber diese Weile wird kürzer und die Kürze zusehends abgebrühter.
Dennoch stand die vergangene Woche ganz im Zeichen des Terrors, der dieses Land zurzeit auf allen Ebenen in Atem hält - ob damit der Terror im Namen Allahs gemeint ist oder jener der Nation, was beides weit mehr miteinander gemeinsam hat, als zumindest letzteren Anhängern lieb sein dürfte. Umso erstaunlicher, dass ein Urteil vom Oberlandesgericht München der seltsam geläuterten »Bild« verboten hat, die übelsten Hetzer sozialer Netzwerke an den »Pranger der Schande« zu stellen. Vielleicht, weil so ein Pranger zum Repertoire populistischer Maulhelden von AfD bis Pegida zählt. Vielleicht aber auch, weil die Justiz einfach mal für Ruhe im Karton sorgen wollte.
Wobei Ruhe kein Allheilmittel ist im Kampf gegen radikalisierte Massen. Vor nicht allzu langer Zeit war schließlich so wenig Lärm gegen rechts hörbar, dass der Nationalsozialistische Untergrund fast unbehelligt die furchtbarste Mordserie der deutschen Nachkriegszeit begehen konnte. Und da es um den Prozess vorm Münchner Landgericht ebenfalls immer ruhiger wird, ist es wieder mal am Fernsehen, Laut zu geben gegen das Vergessen - und sei es in aller Stille.
»Mitten in Deutschland« heißt eine Filmtrilogie, die den braunen Terror mitsamt seiner blutigen Folgen derart geräuschlos fiktionalisiert, dass es nur so aus dem Fernseher brüllt. Wie im baugleichen Projekt »Dreileben« (2011) hat die ARD drei Regisseure gebeten, dasselbe Thema individuell zu bebildern. Am Mittwoch skizziert Christian Schwochow die Täter, allen voran Beate Zschäpe (Anna Maria Mühe), die den zwei Uwes (Albrecht Schuch, Sebastian Urzendowsky) aus der »national befreiten Zone« Jena in die Illegalität folgt. Am 4. April widmet sich Züli Aladag dann Semiya Simsek (brillant: Almila Bagriacik), deren Vater als erster hingerichtet wurde, bevor Florian Cossen zwei Tage später die Ermittler ins Visier nimmt. Wobei Visier wörtlich zu verstehen ist.
Alle Filme thematisieren personell teils verwoben auf geniale Art das Versagen von Staat, Medien und Justiz, die den Terror nicht nur gewähren ließen, sondern jedes der neun Opfer mit Migrationshintergrund durch ein manipulatives Geflecht rassistischer Vorurteile und falscher Verdächtigungen aufs Neue getötet haben. »Mitten in Deutschland« ist so gesehen gar keine Trilogie über den NSU, sondern über ein System, das ihn mit seiner ignoranten Verachtung für alles Andersartige, Nicht-Deutsche erst möglich gemacht hat. Es sind Filme zum Heulen, Filme der Wut, heilsame Filme, die jeder, wirklich jeder sehen sollte. Nein: muss!
Teil 1 am 30.3., 20.15 Uhr, ARD
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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