Saures oder Süßes

Rhabarber enthält viel Vitamin und wenig Zucker und schützt sogar gegen Sonnenbrand

  • Anke Nussbücker
  • Lesedauer: 4 Min.
Wenn in den mitteleuropäischen Breiten noch recht lange auf die Ernte einheimischer Beeren und Früchte gewartet werden muss, kann der erste Rhabarber die Lust auf Frisches stillen.

Wer erinnert sich nicht gern an den Garten, die Wiese oder den Hinterhof, auf denen man man als Kind im Frühling die jungen, rotstieligen Rhabarberpflanzen entdeckte und auch gleich kostete? Bevor Mutter oder Großmutter sie zu Kompott verarbeiten konnten, stillten einst, als Importe von Südfrüchten noch keine Selbstverständlichkeit waren und die Lageräpfel am Ende des Winters zu schrumpeln anfingen, viele Kinder ihren Appetit auf Frisches mit den rohen, säuerlichen Stängeln. Gleich im Freien verzehrten sie die rohe Kost! Warum auch nicht? Unter der Gartenpumpe gründlich abgespült, ist frischer Rhabarber der Gesundheit durchaus zuträglich. Vitamine und Enzyme bleiben auf diese Weise optimal erhalten.

Menschen, die sich viel bewegen oder im Garten körperlich arbeiten, dürfen sich die Rhabarberstückchen leicht eingezuckert gönnen, damit sie Saft ziehen können. Mit einer Gemüsesaftpresse lässt sich die Flüssigkeit leichter gewinnen. Zuvor empfiehlt es sich, die Rhabarberstücke kurz kurz einzufrieren, weil durch die Frosteinwirkung die Zellwände aufbrechen. Mit Stevia oder etwas Holzzucker (Xylit) gesüßt und mit sprudelndem Wasser aufgegossen, liefert der frisch gepresste Saft wertvolles Vitamin C gegen Frühjahrsmüdigkeit. Kalt verarbeiteter Rhabarber enthält 10 Milligramm Vitamin C auf 100 Gramm - das ist ungefähr vergleichbar mit frisch geernteten Äpfeln. Dabei weisen die Rhabarberstängel aber nur circa zwei Gramm Zucker in der gleichen Menge auf und liefern deshalb ein ideales Frühlingsgetränk für Menschen mit Diabetes, einer Fettleber oder starkem Übergewicht.

Schorle

200 Gramm Rhabarber gründlich waschen, in zwei Zentimeter lange Stücke schneiden, für ca. vier Stunden einfrieren. Leicht antauen lassen und portionsweise mit ca. 50 Millilitern kaltem Wasser in den Mixer geben. Solange mixen, bis eine dickflüssige Konsistenz entsteht. In einen Krug füllen, mit dem Saft zweier frisch gepresster Orangen oder 50 Millilitern Holunderbeerensaft und Stevia-Süße abschmecken. Nach Belieben mit Sprudelwasser auffüllen. an

Ursprünglich aus Tibet und China stammend, hatte der Gemeine Rhabarber mit der botanischen Bezeichnung Rheum rhabararum eine weite Reise über das Indusgebiet in Pakistan, das Rote Meer und das antike, multikulturelle Alexandria hinter sich, bevor er um 1758 nach Paris und um 1870 nach Petersburg mitgebracht und aus ihm und einigen weiteren Arten der heutige Gartenrhabarber gezüchtet wurde. Weltweit sind etwa 60 verschiedene Rhabarber-Arten bekannt. Wichtige chemotaxonomische Unterschiede bestehen zwischen dem Sibirischen Rhabarber (botanisch: Rheum rhaponticum), in dessen Wurzeln pflanzliche Östrogen-ähnliche Stoffe enthalten sind, sowie dem Echten Chinesischen Rhabarber (botanisch: Rheum palmatum), der sogenannte Anthra-Stoffe enthält, die eine mild abführende Wirkung besitzen.

So lindert der Sud der Wurzel des Sibirischen Rhabarbers, in Apotheken unter der Bezeichnung »Rhei rhapontici radix« zu bestellen, unter anderem Hitzewallungen in den Wechseljahren, jedoch ohne die riskanten Nebenwirkungen synthetischer Hormone. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rhabarber-Arten enthält der Sibirische Rhabarber keine Anthrachinone, für die Medizinal- und Kulturrhabarber in Mitteleuropa geschätzt werden. Diese auch als Anthra-Stoffe bezeichneten Wirkstoffe befördern einen vermehrten Einstrom von Wasser und Mineralstoffen in den Darm, so dass der Darminhalt weicher und voluminöser wird und leichter ausgeschieden werden kann. In der Traditionellen Chinesischen Medizin blickt man auf viele weitere Heilanwendungen mit dieser Pflanze zurück. So sammelte man gute Erfahrungen bei sogenannten Hitzeprozessen, die mit Entzündungen verbunden sind, in den Bereichen Milz, Leber und Herzbeutel. Die Anregung der Darmentleerung kann dabei mit einem leicht fiebersenkenden Effekt verbunden sein. Die für die rötliche Farbe der Rhabarberstengel verantwortlichen Flavonoide dienen der Pflanze, die ja auch in Höhenlagen von über 4000 Metern gedeiht, als UV-Schutz. Den kann sich der Mensch im beginnenden Frühjahr zunutze machen. Die enthaltenen Flavonoide wirken antibakteriell, antiviral sowie antioxidativ.

Besonders Personen, die an Gicht oder unter Nierensteinen leiden, sollten vorsichtig beim Genuss von Rhabarber sein. Der Gehalt an Oxalsäure in den Stängeln, die bei höheren auszuscheidenden Mengen zu Nierenschäden und Calciumoxalatsteinen führen kann, liegt im zeitigen Frühjahr bei circa 300 Milligramm pro 100 Gramm, steigt aber im Verlauf des Sommers auf 800 Milligramm pro 100 Gramm. So wird Rhabarber spätestens ab dem Johannistag am 24. Juno, der auch der Spargelernte einen Schlusspunkt setzt, nicht mehr empfohlen.

Für Menschen, die Oxalsäure meiden müssen, sei jedoch versichert, dass die Resorption dieser Säure im Darm bei nur 5 bis 10 Prozent der aufgenommenen Menge liegt, so dass bis zu 100 Gramm Rhabarber pro Tag mit gutem Gewissen verzehrt werden können, wenn man an diesem Tag dafür auf andere Oxalsäure-reiche Speisen wie Spinat, Mangold, Rote Bete oder Kakao verzichtet. Rhabarberblätter sind nicht zum Genuss empfohlen, weil sich in ihnen noch mehr Oxalsäure findet. Eine reichliche Magnesiumaufnahme, zum Beispiel auch mit Magnesium-reichem Mineralwasser ist stets zu empfehlen, da sie die Bildung der Harnsteine aus Calciumoxalat hemmt.

Rhabarber, im zeitigen Frühjahr geerntet, in Stücke geschnitten, in Gefrierbeutel gefüllt und eingefroren, erfrischt an heißen Sommertagen kurz angetaut und im Mixer gründlich zerkleinert und mit kohlensäurehaltigen Wasser aufgefüllt, in willkommener Rohkostqualität. Auch die Kombination der rohen Rhabarberstängel mit einem Dip aus Kräuterquark oder mit Sahnequark, den man mit Honig gesüßt hat, ist einen Versuch wert.

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