Zu wenig Whisky ...
Da der Hochprozentige eine gute Geldanlage ist, geht mancher Brennerei der Stoff aus
Es gibt ein Luxusproblem. Und eine tollkühne Idee. Das Problem: Da die ältesten Whiskysorten immer öfter nicht bloß zum Trinken, sondern weltweit als lohnende Wertanlage gesucht werden, geraten die besten Brennereien unter Druck. Die Lagervorräte besonders begehrter Whiskys, besonders schottische Single Malts - Whisky auf Gerstenmalzbasis, unverschnitten aus einer einzigen Destille -, werden so knapp, dass die Nachfrage immer schwerer zu bedienen ist und der Goldgelbe immer teurer wird.
Zwei Umstände machen den Engpass noch schmaler: Vor vierzig Jahren steckte die Whiskyindustrie in der Krise. Die Produktion ging zurück, zur Reifung wurde weniger eingelagert, manche Brennerei geschlossen. Whisky galt als eine Art Auslaufmodell hochprozentigen Genusses, dem nur noch elitäre, tattrige Tweed-Anzugsträger in britischen Clubs und französischen Salons frönten. Diese Delle ist vorbei, guter Whisky seit langem auf teils beispiellosem Höhenflug. Das hängt mit dem zweiten Umstand zusammen: Der Wegfall von Mauern in Mittel- und Osteuropa und der Aufstieg des Reichs der Mitte beflügeln den Appetit neureicher Russen wie Chinesen auf exklusivste Tropfen aus der Wein- und Whiskywelt - sowohl als Prestigeaccessoire, mit dem man sich gern zeigt, als auch als Wertanlage. Woraus sich die jetzige Verknappung und Verteuerung von Spitzenwhiskys ebenfalls erklärt.
Rickesh Kishnani, Chef eines Whisky-Investmentfonds, warnt, es herrsche »ein Mangel an alten und seltenen schottischen Single Malts, und der wird sich noch größer werden«. Laut »Süddeutscher Zeitung« stammt der älteste Whisky in Kishnanis Fonds von 1902 und kostet bereits mehr als 7000 Dollar die Flasche. Was guten Whisky noch reizvoller als guten Wein für Investitionen macht: Abgefüllter, alter Whisky verliert - ungeöffnet - nicht nur kein Aroma, anders als Wein verdirbt er auch nicht nennenswert. Das Wasser des Lebens, Gälisch für »uisge beatha«, ist quasi für die Ewigkeit gemacht. Welch andere Investition kann das von sich sagen!
Erst unlängst fand auf der westschottischen Insel Islay ein Spektakel statt, das das Spekulationsfieber veranschaulichte: Der Weiler Port Ellen, nicht halb so bekannt wie der Malzwhisky gleichen Namens, gab dreitausend Flaschen »Port Ellen« in den Verkauf, und Eigentümer Diageo, Premiumhersteller Nummer eins im Weltmaßstab für harte Drinks, bot sie zu 1500 Pfund (ca. 1800 Euro) an. Pro Flasche. Binnen einer Woche wurde sie bei eBay fürs Doppelte gehandelt. Grund: »Port Ellen« ist ein Single Malt, der seit über 30 Jahren nicht mehr gebrannt, folglich immer knapper, bei Sammlern immer begehrter und auf dem Markt immer teurer wird.
Nun die verwegene Idee. Über sie berichtete der Londoner »Independent« unter dem Titel »Frankreich plant, Schottland als Heimat des weltbesten Whiskys zu verdrängen«. Was nach Aprilscherz klingt, ist ernst gemeint. Frankreich baut eine eigene Whiskyproduktion auf. Da sich die Grande Nation auf Experten aus der Weinverarbeitung stützt, sich als Heimat des Cognacs und allgemein als Mutterland des raffinierten Gaumens sieht, muss das Ganze kein Spleen bleiben. Nicolas Julhès, Chef der Distillerie de Paris sagte mit breiter Brust: »Innerhalb von 15 Jahren werden die weltbesten Whiskys aus Frankreich kommen.«
Der tollkühne Plan, der Schotten aufhorchen lassen wird, wird in einem Land mit inniger Beziehung zum Scotch verfolgt. Nach einer aktuellen Studie des Wirtschaftsberaters Bonial trinkt man in keinem Land mehr Whisky als in Frankreich. Mit einem Durchschnitt von 2,15 Liter pro Kopf und Jahr liegt La France klar vor Uruguay (1,8) und USA (1,4). Der Französische Verband der Alkoholhersteller teilte mit, dass Whisky (davon 90 Prozent Scotch) 40 Prozent des französischen Spirituosenkonsums ausmache - verglichen mit 25 Prozent für Pastis und 0,5 Prozent für Cognac.
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