BND: 60 Jahre unkontrollierte Skandale

Linkenpolitiker Korte: Bundesnachrichtendienst und Demokratie, das verträgt sich nicht / Grüne: »Eklatante Mängel« endlich einstellen / BND-Chef setzt auf Vertiefung der Zusammenarbeit

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Berlin. Vor 60 Jahren wurde der Bundesnachrichtendienst gegründet. Zum Jubiläum kritisiert die Opposition »60 Jahre Skandale«, fordert endlich mehr Kontrolle - und noch mehr: »Geheimdienste und Demokratie, das verträgt sich nicht«, sagt der Linkenpolitiker Jan Korte. Der BND arbeite wie vergleichbare Institutionen »in erster Linie im Verborgenen« und entziehe »sich systematisch der öffentlichen Kontrolle«. Der Linksfraktionsvize sagte, »für eine an den Bürgerrechten orientierte Politik wird es über kurz oder lang keine Alternative zur Abschaffung der Geheimdienste geben, zumal ihr Nutzen oft fragwürdig ist.«

Korte erinnerte auch an »die braunen Wurzeln beim BND«. Dass darüber inzwischen mehr bekannt sei, sei ein Verdienst der Historikerkommission, die diese Geschichte aufarbeitet. »Es wird allerdings darauf ankommen, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen«, so Korte. Sein Parteikollege André Hahn erklärte, der Bundesnachrichtendienst sei 60 Jahre nach dessen Gründung wegen zahlreicher Skandale kaum noch kontrollierbar. Der stellvertretende Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestags kritisierte unkontrollierte Alleingänge und das Versagen der Aufsicht durch das Kanzleramt. »Das sind alles keine kleinen Pannen, das sind handfeste Skandale«, so Hahn.

Der Bundesnachrichtendienst wurde am 1. April 1956 gegründet. Hahn kritisierte, der BND habe sich in der Vergangenheit verschiedene Dinge ausgedacht, um das Gesetz über seine Befugnisse zu umgehen oder für seine Zwecke auszulegen. Überdies habe der Geheimdienst bei seiner Arbeit wiederholt gegen deutsche und europäische Interessen verstoßen. Das müsse ein Ende haben. »Deshalb brauchen wir dringend eine neue gesetzliche Regelung. Die darf aber nicht so aussehen, dass das legalisiert wird, was derzeit rechtswidrig gemacht wird.« Als Konsequenz aus den Enthüllungen der Geheimdienst-Spähaffäre will die Koalition die Arbeit des BND mehr regulieren. Ein Gesetzentwurf ist in Arbeit. Hahn beklagte jedoch, die Änderungen ließen auf sich warten. Ursprünglich seien die Pläne sehr weitreichend gewesen. »Aber dann wurde in der Bundesregierung offenbar Widerstand organisiert.«

Der Grünenfraktionsvize Konstantin von Notz forderte die Bundesregierung auf, die »eklatanten Mängel« der geheimdienstlichen Arbeit endlich abzustellen. Die Nachrichtendienste hätten erwiesenermaßen oftmals am Rande und teilweise auch deutlich über ihre gesetzlichen Befugnisse hinaus agiert, kritisierte er in der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Der Bundesregierung warf von Notz vor, ihre Dienst- und Fachaufsicht nicht ernst genommen zu haben. Grenzüberschreitungen seien toleriert und sogar bewusst gefördert worden. »Angesicht terroristischer Bedrohungen brauchen wir zuverlässig arbeitende, der Rechtsstaatlichkeit verpflichtete Nachrichtendienste«, so der Grünen-Politiker. Der Reformbedarf beim BND sei hoch. Darauf hätten auch unabhängige Sachverständige immer wieder hingewiesen. Von Notz nannte es »unverantwortlich«, dass die Bundesregierung eine seit Monaten angekündigte Reform gerade auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben habe. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte, der BND habe sich systematisch wirksamer Aufsicht und Kontrolle weitgehend entzogen.

Derweil setzt BND-Präsident Gerhard Schindler auf eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit europäischen und amerikanischen Geheimdiensten. »Je komplexer die Welt wird und je schwieriger die einzelnen Krisenherde werden, umso wichtiger es ist, dass man international zusammenarbeitet«, sagte Schindler der Deutschen Presse-Agentur. Der BND hat in der Vergangenheit von internationalen Partnerdiensten und gerade von dem umstrittenen US-Geheimdienst NSA wichtige Hinweise zur Terrorgefahr oder drohenden Anschlägen erhalten. »Kein Nachrichtendienst - auch nicht die ganz großen - kann die gesamte Welt alleine für sich aufklären. Man braucht regionale Partner«, begründete Schindler sein Plädoyer für einen Ausbau der Zusammenarbeit des deutschen Auslandsgeheimdienstes mit Partnern in aller Welt.

Im Zusammenhang mit der Diskussion über die NSA-Affäre und das mittlerweile eingestellte Abhören des Handys von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durch den US-Geheimdienst hatte es heftige Kritik an der Zusammenarbeit des BND mit der NSA gegeben. Es war befürchtet worden, die Amerikaner könnten deshalb künftig zurückhaltender bei der Zusammenarbeit sein. Schindler wollte nicht bestätigen, dass es derartige Probleme mit der NSA gegeben hat. Er betonte dagegen: »Die Amerikaner sind unser wichtigster Partner. Und mit diesem wichtigsten Partner arbeiten wir nach wie vor vertrauensvoll und gut zusammen.«

Der BND-Präsident will die öffentliche Stimmung unter anderem mit einem Kurs größerer Transparenz verbessern. So geht er gegen teils absurde Geheimniskrämerei an - er hob die Legenden wichtiger BND-Außenstellen auf und schraubte BND-Namensschilder an. Mitarbeitern erlaubt er, unter ihrem wirklichen Namen zu arbeiten, wenn sie nicht im Außeneinsatz sind. Bisher mussten sie sich einen Arbeitsnamen und bei einem Außeneinsatz einen Tarnnamen zulegen. Agenturen/nd

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