Der Bremer und die Naturgesetze
Bis das Rathaus wieder die gewohnte grüne Patina hat, dauert es Jahre - zur Verwirrung mancher Hansestädter
Damit der rot-grüne Bremer Senat nicht länger im Regen steht, lässt er das Rathausdach neu decken. Wobei streng darauf geachtet wird, dass der Zugang zum Ratskeller und den Stadtmusikanten nicht versperrt wird. Und der Roland wird von den Arbeiten nicht betroffen.
Was wie eine Lokalmeldung klingt, hat durchaus eine größere Dimension. Denn das Bremer Rathaus gehört gemeinsam mit der Bremer Roland-Statue, die davor auf dem Marktplatz steht, zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Die UNESCO lässt alle Kulturerbestätten regelmäßig auf Unversehrtheit und Ursprünglichkeit untersuchen. Die maroden Stellen im Kupferdach des Bremer Rathauses, durch die Wasser rieselt und im Gebäude Schäden anrichtet, hat das hansestädtische Landesamt für Denkmalpflege selbst festgestellt.
Es geht dabei um den vor über 600 Jahren errichteten ersten Rathausteil, das sogenannte Alte Rathaus. Die rund 1300 Quadratmeter Kupferabdeckung müssen erneuert werden, um die Original-Dachkonstruktion darunter vor weiteren Nässeschäden zu schützen.
Bremens oberster Denkmalpfleger, Prof. Georg Skalecki, ist sich sicher, den größten Teil der gut eine Million Euro für das neue Kupferdach aus dem Hause der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, zu bekommen. Was die Angelegenheit im Haushaltsnotlageland an der Weser eigentlich zu einer entspannten Aktion machen könnte. Aber so einfach ist das mit der Bevölkerung nicht. Üblicherweise bewahrt man in Bremen zwar eher Ruhe, als sich aufzuregen. Doch dieser Fall liegt anders: Es geht um das Herz der Stadt - und damit das der Bremer. Seit herauskam, dass das Rathaus ein neues Kupferdach bekommt, ist das Vorhaben Stadtgespräch: Denn dieses Dach wird zunächst braun sein, und nicht - wie gewohnt - grün. Diese Perspektive sorgte für Aufregung und kritische Bemerkungen. Die Beruhigungsversuche, Kupfer grüne in etwa 20 Jahren wieder durch, und die umliegenden alten Kirchen und Gebäude seien auch zum Teil nicht mehr grün weil neu gedeckt, fruchteten nicht.
Weil so engagiert diskutiert wird, sah sich nun Denkmalpfleger Skalecki vor der ins Rathaus geladenen Presse zu einer Rechtfertigung genötigt. Das Kupferdach gehöre zum Urzustand, der erhalten bleiben müsse. Künstlich vorgegrüntes Kupfer sehe nicht authentisch aus, zudem sei es nicht so haltbar. Durch den Klimawandel, so der Denkmalschützer, sei mit stärkeren Stürmen zu rechnen, und deshalb die Haltbarkeit des Daches wichtig.
Weil Straßenbahnschienen dicht an der Südseite des Rathauses liegen, wird dort das Gerüst auf dem Balkon aufgesetzt. So bleiben die Rathaus-Arkaden darunter zugänglich. Aber der Balkon kann vorerst nicht genutzt werden, was als weitere Verlust empfunden wird. Kommen doch wehmütige Erinnerungen an den Grün-Rausch vor zwölf Jahren auf, als Werder Meisterschale und Pokal auf dem Balkon präsentierte. Werder lässt sein Vereins-Grün durch schlechte Leistungen verblassen, und nun wird auch noch das Rathausdach barun.
Um des Volkes Seele und die Tourismusbranche nicht zu sehr zu strapazieren, soll pünktlich zum Freimarkt, der sich im Herbst auch zu Füßen des Rolands ausbreitet, das Rathaus wieder ein Dach überm Kopf haben.
Und auch die heimische Handwerkerschaft wurde mit ins Boot geholt. Eine Bremer Firma konnte die Ausschreibung im Zimmerergewerk gewinnen. Was einen Großteil der Arbeiten ausmacht. Bei den Metallarbeiten war eine Firma aus Münster nicht zu schlagen, die bereits mehrere Dome gedeckt hat. Anders als bei der Erneuerung des Kupferdaches auf dem Haus der Bremer Kaufmannschaft vor sieben Jahren, wird beim Rathaus übrigens nicht durch aktuelle Kursverluste beim Kupferpreis Geld gespart werden können. Das Material für das Dach wurde nämlich zu einem festen Preis bestellt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.