Landessportbund fordert Rückgabe der Turnhallen
Vereine beklagen finanzielle Nachteile und Mitgliederverluste durch Nutzung von Sportstätten für Flüchtlingsunterkünfte
In 62 Sporthallen an 51 verschiedenen Standorten sind derzeit Notunterkünfte für Flüchtlinge untergebracht. Laut dem Landessportbund Berlin (LSB) sind über 100 Sportvereine von den Hallenbelegungen betroffen. Dies schade dem Sport. Der LSB fordert daher vom Senat ein »verbindliches Ausstiegsszenario«, um die Sporthallen wieder für den Vereinsbetrieb nutzbar zu machen.
»Wir haben in einer Notsituation ausgeholfen«, sagte Klaus Böger, Präsident des LSB, am Dienstag in der Gerhard-Schlegel-Sportschule in Schöneberg. Die Bedingung sei jedoch eine temporäre Nutzung der Vereinsräumlichkeiten gewesen. Jetzt müssten die Turnhallen wieder dem Sport zur Verfügung gestellt werden, da sonst das Wegbrechen einer »tragenden Säule der Gesellschaft« drohe, heißt es in einem Papier des Landessportbundes. Nicht zuletzt, weil Sportvereine die erste Adresse für Integration seien.
Weiter beklagte der LSB finanzielle Nachteile durch die Anmietung alternativer Sporträume, Mitgliederverluste und fehlende Zuschauereinnahmen. Die Kostenerstattung, die der Senat in Aussicht gestellt hatte, gleiche die Mehrkosten bei weitem nicht aus. Eine weitere Sorge: Profisportler könnten von Vereinen aus anderen Bundesländern abgeworben werden, in denen die Trainingsbedingungen besser sind.
Auch Vertreter von Mitgliedsverbänden äußerten am Dienstag Frustration über die Untätigkeit des Senats. So gebe es beispielsweise eine Turnhalle, in der mittlerweile nur noch 36 Flüchtlinge wohnen, die aber komplett geräumt wird und damit für den Vereinsbetrieb weiterhin nicht zur Verfügung steht. »Wir warten, dass ein Zeichen gesetzt wird«, so Thomas Ludewig, Präsident des Handball-Verbandes Berlin.
»Wieso dauert das alles so lange?«, jammerte auch der Präsident des Berliner Hockey-Verbandes Jürgen Häner. So habe der Senat auch auf offene Briefe, in denen die Sportverbände alternative Flüchtlingsunterkünfte vorgestellt haben, keinerlei Reaktion gezeigt. In Brandenburg beispielsweise stünden Flüchtlingsheime leer.
»Wir haben alles geduldig mitgemacht«, findet Kaweh Niroomand, Sprecher der Berliner Profivereine und Manager der BR Volleys. Die derzeitige Situation könne man aber nicht weiter hinnehmen. Man mache sich inzwischen auch Sorgen um die nächste Saison.
Neben dem Profisport fühlen sich auch die Vertreter des Freizeitsports durch die Nutzung der Turnhallen als Notunterkünfte benachteiligt. So ist beim Berliner Sportverein 1892, der den Betrieb in der Sporthalle gänzlich einstellen musste, die Rede von etwa 1000 Betroffenen, die ihren Sport nicht mehr betreiben könnten.
Allein der Vorsitzende des Köpenicker Sportvereins AJAX-Neptun, Joachim Baade, erwähnte am Dienstag, dass unter der Politik des Senats nicht nur Sportler und Vereinsvertreter, sondern vor allem die Geflüchteten leiden. Die Bedingungen, unter denen die Menschen in den Sporthallen hausten, seien menschenunwürdig, sagte Baade. Sie seien für eine längerfristige Unterbringung einfach nicht geeignet.
Das findet auch eine Initiative von Sportverbänden, die gegen die Beschlagnahmung von Turnhallen ein Volksbegehren initiiert haben. »Die Unterbringung von Menschen in Sporthallen kann nur Ultima Ratio für eine kurze Übergangszeit sein«, heißt es auf der Internetseite. Schüler, Flüchtlinge und Sportler dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.
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