Regierung hält sich zurück
Debatte im niedersächsischen Landtag über Situation im VW-Konzern
»Chaos« herrsche bei VW, meint die oppositionelle FDP im Niedersachsenparlament. Deshalb möge sich die rot-grüne Regierung, die den Landesanteil von über 20 Prozent an dem Autokonzern vertritt, zu Lösungsstrategien äußern. Am Donnerstag sollte sie das tun, hatten die Liberalen verlangt. Doch schon am Mittwoch, die Plenarsitzung hatte kaum begonnen, überraschte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mit einer Rede zur Situation bei Volkswagen.
Worte des Regierungschefs zum Einstieg in die Tagungswoche - das ließ auf Neuigkeiten hoffen, doch die gab es nicht. Die Kunde, dass sich Aufsichtsrat und Vorstand am Dienstagabend darauf geeinigt hatten, die Bonuszahlungen der Spitzenmanager nun doch zu beschneiden, hatte sich ohnehin rasch verbreitet. Würde Weil nun mehr verraten? Etwa die Höhe der Kürzungen? Was offenbaren würde, ob die finanziellen Einbußen die Vorstandsmitglieder vergleichbar so »hart« treffen wie einen ihrer Arbeiter der Verlust eines 50-Cent-Stücks?
Der Ministerpräsident sagte dazu nichts, vielleicht weiß er auch noch nichts Näheres. Es solle verhandelt werden, ließ er den Landtag wissen und zitierte den Konzernvorsitzenden Matthias Müller, der unlängst auch mit Blick auf den Vorstand eingeräumt hatte: »Der Gürtel muss enger geschnallt werden.« Wie eng und ob überhaupt eng für die Topmanager, das ist am 22. April Thema einer Sitzung des VW-Aufsichtsrates.
In jenem Gremium ist Niedersachsen durch den Ministerpräsidenten und durch Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) vertreten. Der warb in seiner Rede um Verständnis dafür, dass die Landesregierung in puncto VW »nicht über alles berichten kann, wozu sie sich gern äußern würde«. Das Aktienrecht verpflichte ihn zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, erklärte Weil. Auch übe sich die Regierung »in einer bewussten Zurückhaltung«, weil es in den vergangenen Wochen zu VW »eine Mischung aus Spekulationen, Indiskretionen, Wahrheiten und Halbwahrheiten« gegeben habe. Beispielsweise Meldungen, es sei ein massiver Arbeitsplatzabbau geplant. Das habe viele Menschen verunsichert. Laut Vorstandschef Müller, so Weil, seien die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft gesichert. Diese Aussage decke sich mit der Einschätzung der Landesregierung.
»Zu klären« sei der Umfang künftiger Leiharbeitsplätze, sagte Weil. Sofern solche Beschäftigungsverhältnisse beendet werden müssten, erwarte die Regierung, dass die VW-Tochter Auto-Vision alle Anstrengungen unternimmt, den Betroffenen einen Arbeitsplatz an anderer Stelle zu vermitteln.
Auch zu »Dieselgate« hatte Weil nichts Neues zu erzählen. Die Aufklärung der jahrelangen Manipulationen von Abgaswerten sei weit fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen. Eine »qualifizierte Berichterstattung« zu der Affäre werde es Ende April im Aufsichtsrat geben. »Unabhängig von den Ermittlungen, die Justizbehörden in den Vereinigten Staaten und in der Bundesrepublik führen, ist für die Sitzung des VW-Aufsichtsrates im April eine qualifizierte Berichterstattung vorgesehen«, sagte Niedersachsens Ministerpräsident im Landtag in Hannover. Hinter dessen verschlossenen Türen solle auch »über Art und Weise einer Unterrichtung der Öffentlichkeit zu befinden sein«, kündigte der Regierungschef an.
Dessen Erklärung, so kommentierte CDU-Fraktionschef Björn Thümler, sei »keinen Millimeter über Zeitungswissen hinaus gegangen«. Nicht erwähnt habe Weil beispielsweise, dass die Arbeitsagentur schon jetzt mehr Kurzarbeit bei VW-Zulieferern verzeichne, dass Gewerbesteuerausfälle die Standortkommunen »mit voller Wucht treffen« und dass der absehbare Totalausfall der Dividende auch den Landeshaushalt belasten werde. Einschnitte drohen laut Thümlers Prognose auch bei der Forschungsförderung der VW-Stiftung. Trotz alledem winke Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) öffentlichkeitswirksam mit Plänen zu einer stärkeren Dieselbesteuerung. Wer das zulasse, habe den Ernst der Lage nicht begriffen, wetterte Thümler in Richtung Weil.
Anerkennung erhielt der so Gescholtene dagegen - besonders für sein Engagement in puncto Boni-Kürzung - von der SPD-Fraktionsvorsitzenden Johanne Modder und ihrer Grünen-Kollegin Anja Piel. Sie betonte, es sei wichtig, dass »in der aktuellen Krisenzeit« auch der Vorstand seinen Teil der Verantwortung erkenne und annehme.
Eine Rüge in Richtung Weil gab es vom FDP-Finanzexperten Jörg Bode: Dem einstigen Vorstandschef Hans Dieter Pötsch sei der Wechsel in die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden mit zehn Millionen Euro vergoldet worden. Das sei eine »krasse Fehlentscheidung«, erklärte Bode, die der Ministerpräsident mitgetragen habe und die rückgängig gemacht werden müsse.
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