Koalition einigt sich auf Überwachen und Strafen

Pro Asyl kritisiert Einigung / Spitzentreffen tagt sieben Stunden im Kanzleramt: Verschärfung der Integrationsregeln und neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden

  • Lesedauer: 3 Min.
Update 10.00 Uhr: Pro Asyl sieht Einigung auf Integrationsgesetz kritisch

Die in der Koalition vereinbarten Eckpunkte eines Integrationsgesetzes stoßen bei der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl auf Widerstand. Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte am Donnerstag die vorgesehenen Sanktionen bei Nichteinhaltung von Integrationspflichten und die geplante Wohnsitzauflage. »Ein Integrationsgesetz, das Sanktionen vorsieht, fördert entgegen aller Fakten das Vorurteil, Flüchtlinge wollten sich nicht integrieren«, sagte Burkhardt.

Entscheidend für die Integration seien Spracherwerb und vor allem der Aufenthaltsstatus. Genau das werde Flüchtlingen oft jahrelang verweigert, sagte Burkhardt. Die Wohnsitzauflage, die den massenhaften Zuzug in Großstädte verhindern soll, bezeichnete Burkhardt als »desintegrativ«. »Jobs findet man aus der Nähe, durch Netzwerke und direkte Kontakte«, sagte er. Die Auflage werde Flüchtlinge in die soziale Abhängigkeit treiben.

Koalition einigt sich auf Überwachen und Strafen

Berlin. Wieder ein Koalitionsgipfel, wieder dauert es mit sieben Stunden sehr lange, wieder war dem monatelanger Streit zwischen CDU und CSU und mit der SPD vorausgegangen. Nun dringen erste Meldungen über das Ergebnis der Runde im Kanzleramt durch - und wenn am Mittag Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel vor die Presse treten, wird man viel von großen, wichtigen Schritten reden. Doch in welche Richtung gehen die? Über Fragen wie die Erbschaftssteuer oder ähnliches, die zuvor auch im Gespräch waren, ist bisher nichts bekannt. Es gibt zwei Schwerpunkte: die Verschärfung der Integrationsregeln und neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden.

Asylbewerber werden unter Verdacht gestellt und mit Strafen bedroht, wenn sie Integrationsmaßnahmen ablehnen. Dann sollen die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz gekürzt werden. Kritiker hatten immer gemahnt, es gebe viel zu wenige solcher Angebote. Zudem hat man sich offenbar auf eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge geeinigt. Auf dem Arbeitsmarkt soll die Vorrangprüfung für drei Jahre abgeschafft werden, so könnten Asylbewerber schneller einen Job bekommen. Sie dürfen künftig auch als Leiharbeiter beschäftigt werden. Auf Twitter sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann: »50 Jahre nach dem Beginn der Einwanderung bekommt Deutschland jetzt ein Integrationsgesetz.«

In einem zweiten Schwerpunkt haben sich die Koalitionsspitzen offenbar auf neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden geeinigt. Von einem »Anti-Terror-Paket« ist die Rede - es geht aber zum Beispiel darum, dass verdeckte Ermittler bereits zur Gefahrenabwehr, und hier will die Regierung vor allem die so genannte Schleuserkriminalität in den Blick nehmen, zum Einsatz kommen und nicht erst bei der Strafverfolgung. Zudem werden die Ermittlungsmöglichkeiten der Bundespolizei vergrößert. Die Geheimdienste BND und Verfassungsschutz sollen mit ausländischen Geheimdiensten Daten austauschen dürfen. Auch die von Nachrichtendiensten und Polizei gesammelten Daten sollen künftig länger als bisher genutzt werden dürfen - für fünf Jahre. Es soll mehr Personal für Sicherheitsbehörden geben. Verurteilte Unterstützer einer »terroristischen Vereinigung« könnend en Plänen der Koalition zufolge unter Führungsaufsicht gestellt werden. Und: Provider und Händler werden verpflichtet, auch bei Nutzern von Prepaid-Handys einen gültigen Ausweis mit kompletter Adresse zu verlangen. nd/Agenturen

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