Kitagruppen größer als gedacht

Bertelsmann-Stiftung zeigt Unterschied zwischen Personalschlüssel und Betreuungsrelation

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
In Brandenburg wird schon sehr viel und immer mehr Geld für die Kitas ausgegeben. Die Personalausstattung ist dennoch unzureichend.

In Zweiergruppen steigen zwei Dutzend Kitaknirpse am Potsdamer Hauptbahnhof aus dem Zug. Die Erzieherinnen zählen dabei durch. Eine der Frauen gibt resolut Kommandos, obwohl die Kinder so schon ganz artig sind. Vier Aufpasserinnen sind bei diesem Ausflug dabei, damit nur ja kein Kind verloren geht.

Rein rechnerisch stimmt das Verhältnis, ist sogar vergleichsweise ausgezeichnet. Denn statistisch kommen in brandenburgischen Kitas auf eine Erzieherin 11,6 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren. Aber in der Realität sieht es natürlich anders aus. Da sind die Gruppen in der Regel viel größer, weil die Einrichtungen teilweise von 7 oder 8 Uhr früh bis 18 Uhr abends und länger geöffnet haben. Es gibt beim Personal also Schichtbetrieb und die eine oder andere Kollegin ist mal krank, hat Urlaub, besucht eine Fortbildung oder ist mit Elterngesprächen beschäftigt.

Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt für die größeren Kinder einen Personalschlüssel von 1 zu 7,5. Bei den unter Dreijährigen rät die Stiftung sogar zu einem Schlüssel von 1 zu 3. Im Moment gibt es da in Brandenburg ein Verhältnis von 1 zu 6,3. Die Zahlen stammen aus einem Kita-Zoom - einer bis jetzt drei Jahre laufenden Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung mit Stichproben in Potsdam, Brandenburg/Havel und Märkisch-Oderland. Am Donnerstag gab es in der Potsdamer Staatskanzlei eine Abschlussveranstaltung, bei der Projektleiterin Kathrin Bock-Famulla eine Unmenge detaillierter Ergebnisse vorstellte.

Demnach gibt es in Westdeutschland derzeit einen durchschnittlichen Personalschlüssel von 1 zu 3,6 bei den kleinen Krippenkindern und 1 zu 8,6 bei den größeren Kitakindern. Obwohl Brandenburg erheblich mehr Geld für die frühkindliche Bildung ausgibt, besteht dieser Abstand. Das mag damit zusammenhängen, dass in Brandenburg viel mehr Kinder als anderswo in der Bundesrepublik eine Kita besuchen. Beispielsweise tun dies 97,2 Prozent aller Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren. Das ist auch kein Wunder, denn nirgendwo anders - mit Ausnahme Schwedens - sind junge Frauen so häufig erwerbstätig wie in Brandenburg. Sie sind also auf eine Betreuung ihrer Kinder während ihrer Arbeitszeit angewiesen.

Trotzdem ist die Situation nicht befriedigend, obwohl die rot-rote Koalition schon etwas getan hat. Aber angesichts des großen Handlungsbedarfs seien 60 Millionen Euro »ein Tropfen auf den heißen Stein«, glaubt Andreas Kaczynski, Vorstandsvorsitzender beim Paritätischen Landesverband. Claudia Schiefelbein von der Arbeiterwohlfahrt berichtete, dass sich die Personalsituation »subjektiv« verschlechtert habe. Denn trotz der leichter Verbesserung des Personalschlüssels gebe es Rückmeldungen aus den Kitas, wonach die Belastungen zunehmen.

»Das, was wir an profunden Daten durch den Kita-Zoom bekommen haben, zwingt uns zum Handeln«, sagte die Landtagsabgeordnete Gerrit Große (LINKE) zu den Zahlen der Stiftung.

»Aber wir können uns nur leisten, was wir uns leisten können«, bedauerte Bildungsminister Günter Baaske (SPD). Ihm ist jetzt klar, dass Gesetze und Verordnungen das eine sind und die Realität das andere. Er kann inzwischen unterscheiden zwischen dem günstiger klingenden Personalschlüssel und der Betreuungsrelation, die die Lage besser abbildet.

Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung fließen gegenwärtig insgesamt 546 Millionen Euro für 11 500 Kita-Erzieher im Bundesland. Bei einer Anpassung des Personalschlüssels an die von der Stiftung gewünschten Relationen wären 18 800 Erzieher notwendig. Dies würde 892 Millionen Euro kosten. »Ich finde das übersichtlich«, meinte Projektleiterin Bock-Famulla.

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