»Nuit Debout« bleibt wach - bleib auch Hollande?

Drei Viertel der Franzosen wollen keine erneute Kandidatur des französischen Präsidenten / Sozialdemokrat zeigt Verständnis für Proteste gegen ihn / Ausschreitungen in Paris

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Berlin. Während die französische Protestbewegung »Nuit Debout« anhält, bei der seit dem 31. März Nacht für Nacht Menschen auf öffentlichen Plätzen zusammenkommen und gegen die Regierung demonstrieren, glaubt sich der sozialdemokratische Präsident François Hollande auf dem richtigen Weg: Er verteidigte seinen politischen Kurs und behauptete, er habe das Land in den vergangenen vier Jahren modernisiert und dabei das Sozialmodell bewahrt. Hollande kündigte an, er werde bis zu seinem letzten Tag im Amt an Reformen arbeiten. »Ja, es geht besser: es gibt mehr Wachstum, ein niedrigeres Defizit, weniger Steuern, höhere Margen für die Unternehmen, mehr Kaufkraft für die Arbeitnehmer. Deshalb werde ich bis zum Schluss weitermachen.« Seine Entscheidung über eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit im Jahr 2017 wolle er zu Jahresende treffen.

Der Sozialdemokrat ist angesichts der sozialen Probleme im Land, der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und der Rekordarbeitslosigkeit so unbeliebt wie kein anderer Präsident vor ihm in Frankreichs jüngerer Geschichte. Er verharrt rund ein Jahr vor der Präsidentenwahl in einem beispiellosen Umfragetief. Drei Viertel der Franzosen wollen, dass Hollande auf eine Kandidatur im Frühjahr 2017 verzichtet, wie eine am Donnerstag in der Tageszeitung »Le Parisien« veröffentlichte Umfrage ergab. In einer anderen Umfrage für den TV-Sender BFMTV bescheinigen 87 Prozent der Befragten Hollande eine schlechte Bilanz. Zuletzt gingen hunderttausende Menschen gegen seine Pläne für eine Lockerung des Arbeitsrechts auf die Straßen, Druck kommt außerdem von der Sozialprotestbewegung »Nuit debout«.

Die Bewegung war im Zusammenhang mit den Protesten gegen eine Arbeitsmarktreform der Regierung entstanden, beschränkt sich aber nicht auf dieses Thema. Französische Medien ziehen Parallelen zu den Protestbewegungen Occupy Wall Street in New York und den Indignados in Madrid, die als Reaktion auf soziale Ungleichheit, Bankenspekulationen oder den Kürzungskurs der spanischen Regierung entstanden waren. Am Rande des Treffens der Bewegung am Donnerstagabend in Paris kam es Berichten zufolge zu Ausschreitungen. Wie die Pariser Polizei in der Nacht zum Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, marschierte eine Gruppe von etwa 300 Demonstranten vom Platz der Republik, wo gegen soziale Ungerechtigkeit protestiert wird, los. Einige aus dieser Gruppe hätten dann zahlreiche Sachbeschädigungen begangen. Es seien Scheiben von Geschäften und Bushaltestellen eingeschlagen worden. Rund 20 Menschen seien festgenommen worden. Auch am Place de la République selbst, dem eigentlichen Ort der Proteste, schleuderten Aktivisten Wurfgeschosse auf Polizisten. Die Polizei setzte dort Tränengas ein. Laut Polizeiangaben wurden vier Demonstranten verletzt.

Hollande hatte zuvor Verständnis für die Proteste vor allem junger Franzosen gezeigt. »Auch ich war 20 Jahre alt und habe mich einer Bewegung angeschlossen, weil es Ungerechtigkeiten gab«, sagte er. Es sei »legitim«, dass sich die Jugendlichen zu Wort meldeten, sagte er mit Blick auf die Bewegung »Nuit debout«. Hollande wird in erster Linie an der Entwicklung der Arbeitslosigkeit gemessen. Seit seinem Amtsantritt 2012 ist die Zahl der Arbeitslosen um fast 650.000 gestiegen und hat den historischen Höchstwert von knapp 3,6 Millionen erreicht. Agenturen/nd

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