Ein bisschen Frieden, ein bisschen Krieg
Frank-Walter Steinmeier erläuterte die Grundzüge deutscher bzw. sozialdemokratischer Außenpolitik
Die SPD, das war einmal die Friedenspartei von Kanzler Willy Brandt. Von diesem Ruf zehrten die Sozialdemokraten lange. Zu unrecht. Bereits Brandts Nachfolger Helmut Schmidt trimmte die deutsche Rüstungswirtschaft auf Export. Die »Süddeutsche Zeitung« zitierte jüngst Schmidts Worte an den damaligen US-Präsidenten Gerald Ford: »Angesichts der Arbeitslosigkeit bei uns stehen wir nun unter Druck, und es mag sein, dass wir unsere Politik ändern, um Dinge wie Panzer an den Iran und die Saudis zu verkaufen.« So sah sie aus, die SPD-Friedenspolitik des Jahres 1975.
Es war auch einem sozialdemokratischen Kanzler vorbehalten, deutsche Soldaten erstmals seit 1945 wieder in den Krieg zu schicken. 1999 nach Jugoslawien, 2001 dann nach Afghanistan. Gerhard Schröders Redenschreiber leistete damals ganze Arbeit. So erklärte der SPD-Kanzler nach den ersten NATO-Bombardements in Jugoslawien: »Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.«
Schröders damaliger Staatssekretär im Kanzleramt und späterer Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier ist heute Bundesaußenminister. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte er eine »kritische Selbstprüfung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik« angekündigt. Doch folgte dieser Ankündigung bislang nichts Konkretes.
Steinmeier reist als gewiefter Vermittler durch die Welt. Als »ehrlicher Makler« einer Wirtschaftsmacht, die freie Handelswege braucht und für diese »im Notfall« auch militärischen Einsatz zeigt. Und das in einer Welt, die »aus den Fugen geraten« ist, wie Steinmeier einmal sagte. Dieses Zitat wurde auch zum Motto einer SPD-Tagung am Freitag im Bundestag, wo die Genossen über »friedensethische Grundsätze und politische Verantwortung im 21. Jahrhundert« diskutierten. Wie sieht sie also aus, die sozialdemokratische Außenpolitik des Jahres 2016?
Der Außenminister machte in seiner Eröffnungsrede deutlich, dass angesichts der globalen Unordnung kein Platz ist für eine Außenpolitik, die sich an ethischen Maßstäben ausrichtet. Wie auch, geht es der Bundesrepublik doch vot allem um sichere Handelswege für die eigene Exportwirtschaft. Oder wie Steinmeier es formulierte: »Es gibt kein Land auf der Welt, das so eng vernetzt ist wie wir.« Weil die Bundesrepublik von dem System der freien Märkte profitiere, müsse sie bereit sein, zu dessen Erhalt beizutragen.
Steinmeier verwies auf die »drei Grundzüge der deutschen Außenpolitik« in dieser nonpolaren Welt. Da sei zum einen die »kurzfristige Krisenarbeit«. Dazu zählte der Minister auch Waffenlieferungen an die Peschmerga im Nordirak oder Kriegseinsätze wie in Afghanistan. Den Schwerpunkt legte er aber auf Stabilisierung und längerfristig angelegte Politik. Steinmeier hob dabei auch eigene Erfolge hervor, etwa die Verhandlungen zum Atomabkommen mit dem Iran. Die »ethische« Frage, ob man mit Regimes wie dem der saudischen Königsfamilie verhandeln dürfe, beantwortete er in klassisch sozialdemokratischer Manier: »Das hängt davon ab, was man will.« Wenn man also Stabilität will, die man ja braucht, um Maschinen und Chemie in alle Welt zu exportieren, dann darf man auch Deals mit Terrorscheichs machen.
Steinmeier redete dann vom Kapitalismus mit seinen freien Märkten, der, anders als die Neoliberalen behaupteten, nicht automatisch Frieden bringe. Als zukünftige Herausforderungen nannte er den Klimawandel und die digitale Welt. Dringend zu beantworten sei auch die Frage, wie ein globales Migrationsregime aussehen solle. In Afrika würden sich in einigen Jahren Hunderte Millionen auf die Suche nach einer neuen Heimat begeben. Diese Antwort blieb Steinmeier allerdings am Freitag schuldig.
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