Butter ist alle!
Blurt spielen Jazz-Punk
Ted Milton, der seit ungefähr zehn Jahren eine Abschiedstournee nach der anderen absolviert, trägt gerne schwarze Anzüge. Und auf dem Kopf hat der 73-jährige britische Altsaxophonist einen Irokesenstreifen aus weißem Haar. Weil seine Musik nicht in die zur Verfügung stehenden Schubladen einzuordnen ist, wird von der Presse gern als Notbehelf der Begriff »Jazz-Punk« bemüht. Stücke von ihm heißen beispielsweise »Hurra, die Butter ist alle!« oder »The fish needs a bike«. Meist sind es groteske Textfetzen, die stilistisch an Dada und den frühen Surrealismus erinnern.
Milton ist ein Übriggebliebener aus der Zeit zwischen 1979 und 1982, als man kurze Zeit dem Irrglauben verfallen war, den weihevoll zelebrierten Prog-Rockblödsinn der Hippies erfolgreich ausgemerzt zu haben, und einen das, was danach kommen sollte, nicht interessierte. Denn die Kraft der Zerstörung war eine schaffende Kraft. Das war eine schöne Zeit, als der Punk zu Grabe getragen und im britischen Pop alles möglich war, selbst - wie bei Blurt - zerhacktes Freejazz-Saxophongetröte mit unwirschem Gebell und sägend-aggressiver Gang-Of-Four-Gitarre zu verschneiden. Eine kühne und eigensinnige Musik. Man mischte seinerzeit freimütig Punk-Akkorde mit Jazz oder Funk mit Baustellenlärm: Throbbing Gristle, Tuxedomoon, James Chance & the Contortions, Pere Ubu. Oder eben Blurt. Man hatte sich eine befreite Nische in der Geschichte des Pop erobert. Ratlos nannte man damals der Einfachheit halber alles »New/No Wave«, was das Alte wegrumpelte.
Der »Guardian« ist der Ansicht, die Musik des Punkpoeten Ted Milton, der seit 1979, meistens gemeinsam mit einem Gitarristen und einem Schlagzeuger, unter dem Namen Blurt auftritt, sei nicht mit etwas anderem vergleichbar und hat daher eine Best-of-Platte von ihm in die Liste jener 1000 Alben aufgenommen, die man gehört haben sollte, bevor man stirbt. Keine schlechte Idee.
Blurt, Konzert, 17.4., 20 Uhr, Roter Salon in der Volksbühne, Mitte
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.