Inseln gegen Investitionen
Ägypten überlässt Saudi-Arabien die Hoheit über Tiran und Sanafir / Tausende Menschen protestieren
Die beiden Inseln sind klein, unscheinbar, von Zivilisten unbewohnt. Doch für viele Ägypter sind Tiran und Sanafir vor der Küste des Sinai-Badeortes Scharm el Scheich Teil des Nationalstolzes.
So gingen am Wochenende in Ägypten mehrere Tausend Menschen auf die Straße, nachdem Präsident Abdelfattah al Sisi und der saudische König Salman in der Woche zuvor diese Erklärung hatten verbreiten lassen: Man sei sich einig, dass Tiran und Sanafir zu Saudi-Arabien gehören. Kurz zuvor hatte Saudi-Arabien angekündigt, um die 20 Milliarden Euro in Ägypten investieren zu wollen. Auch eine Brücke über die nur wenige Kilometer breite Straße von Tiran solle gebaut werden.
Die Tiran-Übereinkunft ist dabei im Grunde eine reine Formalität: Schon 1990 hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Hosni Mubarak den Vereinten Nationen mitgeteilt, dass die Inseln im saudischen Hoheitsgebiet liegen. Saudi-Arabien hatte die Inseln schon immer als Teil der eigenen Provinz Tabruk ausgewiesen, aber die Ägypter ansonsten schalten und walten lassen. Nach saudischer Lesart hatte man die Inseln 1950 an Ägypten verpachtet, um der Besetzung der Eilande durch Israel zuvorzukommen.
Wer die Inseln kontrolliert, hat auch die Kontrolle über die Schifffahrtsroute aus dem indischen Ozean nach Eilat. Während der Suezkrise 1956 hatte Israel die Inseln kurzzeitig besetzt. Nachdem General Gamal Abdel Nasser 1967 die Straße von Tiran erneut hatte sperren lassen, übernahm Israels Militär wieder die Kontrolle, bis sich Ägypten und Israel im Friedensvertrag von Camp David auch über die Inseln geeinigt hatten. Ägypten sicherte Schiffen auf dem Weg nach Eilat freie Durchfahrt zu. Über die Einhaltung der Vereinbarung wacht seit 1982 eine internationale Beobachtertruppe auf den Inseln.
Saudi-Arabien hat zugesagt, sich an alle internationalen Verträge halten zu wollen. Es werde aber nicht direkt mit Israel zusammenarbeiten. Israels Regierung gibt sich deshalb gelassen. Man sei informiert gewesen, begrüße den Schritt sogar. »Saudi-Arabien ist Teil der internationalen Allianz gegen den Iran«, sagt Verteidigungsminister Mosche Ja’alon, »und alles, was diese Allianz stärkt, ist auch in unserem Interesse«. Inoffiziell fügt man hinzu, Saudi-Arabien könne ohnehin am Status quo nichts ändern. Die saudische Kontrolle werde rein »emotionaler Natur« sein.
Gerade dies ist vielen Ägyptern wichtig. Die beiden Blockaden der Straße von Tiran sind mythenumrankt und vielen Ägyptern Beweis dafür, dass an ihrem Land im Wortsinne niemand vorbeikommt. Dass al Sisi nun die Hoheit offiziell an Saudi-Arabien übertragen hat, wird als Demütigung aufgefasst. Selbst ein Kommentator des sonst stramm Sisi-freundlichen staatlichen Fernsehens klagt: »Unsere Väter haben jedes Sandkorn auf diesen Inseln verteidigt, und nun wird dieser Teil Ägyptens für eine Handvoll Dollar an Saudi-Arabien verkauft.« Saudi-Arabien hat im Gegenzug versprochen, umgerechnet an die 20 Milliarden Euro in Ägypten zu investieren; über die Straße von Tiran soll eine Brücke gebaut werden.
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